Die Klinge: Roman (German Edition)
das Ganze aber völlig durcheinanderbringen würde und ich sie deshalb nicht mehr treffen könnte. Und ich wollte fragen, ob ich in eine andere Klasse wechseln kann. Aber sie hatte kaum die Tür geöffnet, da hat sie schon die Arme um mich geschlungen und mich geküsst. Ich meine, es war ein richtiger Kuss. Und sie hat sich an mir gerieben.« Er schüttelte den Kopf und seufzte. »Das ging eine ganze Weile so«, sagte er. »Dann hat sie mir einen Drink geholt.«
»Bist du überhaupt dazu gekommen, die Beziehung zu beenden?«, fragte Ian.
»Ich hatte es vor. Ich habe auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Und wir haben immer mehr getrunken. Dann ist sie gegangen, um zum vierten oder fünften Mal die Gläser aufzufüllen, glaube ich. Es hat ein bisschen länger gedauert als sonst. Sie kam mit den Drinks zurück, klar. Aber sie hatte auch dieses schwarze Negligé an.«
»Nicht zu fassen«, stöhnte Ian.
»Gott, es hat nicht viel verborgen. Ich meine, es war fast durchsichtig. Ich konnte alles sehen. Fast hätte ich …« Charles schüttelte den Kopf.
»Das Nächste, woran ich mich erinnern kann«, fuhr er fort, »war, dass wir im Schlafzimmer lagen. Auf dem Bett, in dem sie mit ihrem Mann schläft. Und wir haben es gemacht . Ich weiß nicht, wie lange. Es kam mir lange vor. Eine Stunde oder so. Dann haben wir gehört, wie das Garagentor aufging, und sie hat gesagt: ›Das ist Lester.‹ Also habe ich meine Sachen genommen und bin losgerannt. Ich hätte durch die Vordertür verschwinden sollen. Oder über die Terrasse. Aber ich habe die Orientierung verloren. Ich meine, ich war panisch und halb besoffen, deshalb bin ich in die Küche gerannt – wo Mr. Bryant reinkam.«
»Aber er hat dich nicht gesehen?«
»Ich hab mich in der Abstellkammer versteckt, neben der Waschmaschine. Ich meine, die verfluchte Tür ist direkt vor meiner Nase aufgegangen! Aber ich konnte gerade noch rechtzeitig in die Kammer springen. Ich habe es nicht mehr geschafft, die Tür ganz zuzumachen, deshalb konnte ich rausgucken und sehen, wie er das Adressverzeichnis weggelegt hat. Dann ist er gegangen. Ins Bett, nehme ich an. Ich hab aus dem Schlafzimmer nichts gehört. Helen muss so getan haben, als ob sie schlief.«
»Du hast doch nicht in ihrem Haus gekotzt, oder?«
»Nein. Mann, das wäre echt … Ich habe erst gekotzt, als ich hierhergefahren bin. Es lagen ein paar alte Kippen im Aschenbecher und … ich glaube, der Geruch …« Er sah aus, als würde ihm erneut übel werden, wenn er darüber sprechen musste.
Nach ein paar Sekunden fuhr er fort. »Ich bin an den Straßenrand gefahren, habe den Kopf aus dem Fenster gestreckt und mir die Seele aus dem Leib gekotzt.«
»Ein würdiges Ende für dein Abenteuer«, sagte Ian. »Wie geht’s dir jetzt?«
»Ich bin nicht mehr besonders betrunken. Der Schlaf muss …« Er verstummte und starrte in seine leere Kaffeetasse.
»Warum gehst du nicht duschen?«, schlug Ian vor.
»Hier?«
»Ja. Hier und jetzt. In der Zeit werfe ich dein Hemd in die Waschmaschine. Wenn du dann nach Hause gehst, kriegt keiner was mit.«
»Das wird mir eine Lehre sein«, sagte Charles.
»Hoffen wir’s.«
29 KAREN KOMMT NACH HAUSE
Albert verbrachte den Sonntag genauso, wie er den Samstag verbracht hatte: Er schlief, aß von den reichlichen Vorräten in der Küche, sah fern, verließ nicht die Wohnung.
Zweimal am Tag warf er vier Schalen Eiswürfel in die Badewanne. Die Methode schien zu funktionieren; Tess’ Leiche stank kaum, als er am Sonntagabend Schritte im Flur hörte.
Er lief ins Bad und wartete hinter der geschlossenen Tür.
»Tess muss früh ins Bett gegangen sein«, hörte er Karen sagen. »Sollen wir noch eine Runde, bevor du fährst?«
»Du kriegst wohl nicht genug von mir, was?«
»Pst, sie kann dich hören.«
»Okay, okay. Mhhh.«
»Hör auf damit. Warte einen Moment, ich sehe nach, ob ihre Tür zu ist.«
Albert hielt den Atem an, während Karen an der Badezimmertür vorbei durch den Flur ging. Er hörte, wie eine Tür leise ins Schloss fiel. »Alles klar«, sagte Karen, als sie zurückkam.
»Okay!«
»Nicht so laut!«
»Entschuldigung.«
Ein paar Sekunden lang hörte Albert nichts mehr. Dann: »Mhhh. Was machst du?«
»Rate mal, Tiger.«
»Mhhh. Au, Mist. Kurze Pause, okay?«
»Das Bier schon wieder«, sagte Karen. »Kann ich dir behilflich sein?«
»Warte, ich bin sofort wieder da.«
»Ich weiß nicht, Süßer. Vielleicht brauchst du ein bisschen Hilfe da drin. Dein
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