Die Klinge: Roman (German Edition)
dann Dienstag.« Er küsste sie auf den Hals. Der zarte Parfümduft erregte ihn.
»Hast du Lust auf einen Drink?«, fragte sie.
»Warum nicht?«
»Spricht nichts dagegen. Ich mixe schnell eine Runde Margaritas.«
»Prima. Aber trinkst du nicht normalerweise Martini?«
»Margaritas sind auch nicht übel.« Mit einem trägen, zufriedenen Lächeln umarmte sie ihn, und sie küssten sich erneut. »Ich bin sofort wieder da.«
»Gut. Ach, und spar dir die Mühe, mir einen Salzrand zu machen. Das ist zu viel Arbeit, und ich stehe nicht besonders drauf.«
»Wie es Euch gefällt. Wäre das nicht ein pfiffiger Titel für irgendwas?«
»Wie es Euch gefällt? Klingt gut.«
»Leider hat ihn wahrscheinlich schon irgendjemand benutzt. Es gibt nichts Neues unter der Sonne.«
»Sind wir nicht neu?«
»Neu?« Sie runzelte die Stirn, als dächte sie angestrengt nach. »Wir sind auf jeden Fall neu zusammen.«
»Neu und im frischen Glanz erstrahlend«, sagte Lester.
»Allerdings.« Sie ging in die Küche.
Lester spazierte durch das Wohnzimmer, während er wartete. Er warf einen Blick in den offenen Kamin. Drei Holzscheite waren auf dem Rost über zusammengeknülltem Papier und kleinen Spänen aufgestapelt und warteten auf einen kühlen Abend. Auf der Kaminverkleidung stand ein Zinnaschenbecher, in dem eine einzelne ausgedrückte Zigarette lag. Am Filter war Lippenstift.
»Ich hoffe, du magst Camembert«, sagte Emily Jean, als sie mit einem Tablett mit Käse, Kräckern und den Gläsern aus der Küche zurückkam. Sie balancierte es vorsichtig, um nichts von den Margaritas zu verschütten.
»Wenn ich ihn einmal im Mund habe, schmeckt er mir gut. Das Kunststück ist, ihn dahin zu bekommen, ohne ihn zu riechen.«
»Man muss ihn riechen, sonst entgeht einem der halbe Geschmack.« Sie stellte das Tablett auf den Tisch vor dem Sofa. »Setz dich.«
Er nahm Platz, und Emily Jean setzte sich neben ihn. Als sie sich an ihn lehnte, legte er einen Arm um sie und drückte ihre Schulter.
»Ein Toast wäre angebracht, findest du nicht?«
»Doch«, sagte Lester.
»Auf die Tapferen und die Liebenden.«
Sie stießen vorsichtig an und tranken. »Das war ein schöner Toast«, sagte Lester.
Emily Jean lächelte. »Es klingt gut.«
»Genau wie ›Wie es Euch gefällt‹«, sagte er und schlürfte den trüben Drink.
»Stimmt.«
»Oder ›Ende gut, alles gut‹.«
»Das klingt in meinen Ohren nicht so toll«, sagte Emily Jean. »Vielleicht hört sich das jetzt pessimistisch an, aber ich befürchte, dass nichts gut endet. Überhaupt nichts.«
Lesters Magen verkrampfte sich. Er nahm einen großen Schluck und atmete tief durch. »Es ist schrecklich, die Dinge so zu betrachten.«
»Schrecklich, vielleicht. Aber zutreffend, fürchte ich. Alles beginnt so strahlend und vielversprechend. Wie der erste Schnee des Jahres. Hast du schon mal irgendwo gewohnt, wo es schneit?«
»Ich bin in Chicago aufgewachsen.«
»Dann kennst du es. Er fällt so herrlich weiß und schmilzt auf deinen Wimpern und bedeckt die Gärten und Dächer und Autos, und es ist einfach schön. Dann erleiden junge Männer beim Schneeschaufeln einen Herzinfarkt, und Autos schliddern ineinander oder gegen Bäume. Und nach dem er eine Weile gelegen hat, ist der Schnee grau und hässlich.«
»Wenn man die Oberfläche aufbricht«, sagte Lester, »ist er immer noch weiß darunter. Genauso weiß wie an dem Tag, an dem er gefallen ist.«
»Was für ein erfreulicher Gedanke. Und weißt du, was? Du hast völlig recht!« Sie betrachtete ihn ernst und respektvoll, als wäre er ein Fremder von erstaunlichem Tiefsinn. »Ich habe das selbst getan. Ich erinnere mich an einen Sommer vor einigen Jahren. Ich war in der Sierra wandern. Es war August, glaube ich. Ende August oder Anfang September. Auf jeden Fall ging der Sommer zu Ende, aber es hatte noch nicht geschneit, und ich habe einen grauen, verkrusteten alten Schneefleck gefunden. Er hatte sich seit dem letzten Winter gehalten, weil er im Schatten eines Überhangs lag. Also, das Wasser in meiner Feldflasche war lauwarm, und mir war nach einer kühlen Erfrischung. Deshalb habe ich die schmutzige Kruste zertreten, und der Schnee darunter war so weiß, dass er mich fast geblendet hat. Ich habe ihn herausgeschaufelt und aus den Händen gegessen. Hineingebissen. Ich erinnere mich noch daran, wie er geschmeckt und zwischen meinen Zähnen geknirscht hat. Hast du schon mal Schnee gegessen?«
»Schon oft«, sagte er. »Aber nicht mehr, seit
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