Die Klinge: Roman (German Edition)
rannte er in die Küche. Er zog ein Messer aus dem Ständer. Es war ein Tranchiermesser mit einer geriffelten, über zwanzig Zentimeter langen Klinge. Obwohl er es noch nie angefasst hatte, fühlte sich der glatte Holzgriff in seiner Hand vertraut an. Er lief zurück ins Wohnzimmer.
May Beth hatte sich auf alle viere erhoben und versuchte mühsam, aufzustehen. Sie sah das Messer in seiner Hand. Ein tiefes Stöhnen drang aus ihrer Kehle. Sie kam schwankend auf die Beine.
Etwas war in ihrer Hand.
Ein leeres Martiniglas. Sie warf es nach Albert. Es prallte von seiner Schulter ab und zersprang hinter ihm an der Wand.
Ihr blasser, verschwitzter Bauch hob sich, als sie nach Luft schnappte. Genau dort würde er es hineinstoßen, unter dem Nabel, wo sie weich und flach und glänzend war.
Sie packte eine Stehlampe, riss den Stecker am Kabel aus der Steckdose und warf sie mit beiden Händen nach ihm. Albert versuchte auszuweichen, aber die Lampe traf seine Schienbeine. Während er vor Schmerz aufschrie, stürmte May Beth nach links.
Auf ein Fenster zu.
Aber das Fenster war geschlossen.
Es schien sie nicht zu kümmern. Sie machte aus vollem Lauf einen Kopfsprung. Ihre Fäuste durchschlugen die Scheibe, und der nackte Körper folgte. Albert sah ihren blassen Hintern, die Rückseiten ihrer Beine und die Fußsohlen hindurchgleiten. Dann war sie in der Nacht verschwunden.
Er stürzte zum Fenster. Mit den Händen auf dem Fensterbrett beugte er sich hinaus. Er rechnete damit, sie reglos im Gras liegen zu sehen.
Doch sie war auf den Beinen.
Blut strömte ihr über Rücken und Beine, aber sie rannte. Rannte durch den Garten hinter dem Haus und schrie sich die Seele aus dem Leib.
Genau wie Charlene.
Genau wie die verfluchte Charlene!
Warum entkommen mir immer die Besten?
Oh Gott! Ich muss hier verschwinden!
Er zog sich an.
Wohin soll ich gehen?, fragte er sich.
Egal. Spielt keine Rolle. So schnell wie möglich weg hier.
Sie kennt mein Auto. Ich werde keine zehn Kilometer weit kommen.
Soll ich einen Kilometer fahren, in ein anderes Haus eindringen und den Wagen in der Garage verstecken?
Als er durch die Küche eilte, sah er May Beths Handtasche auf dem Tisch liegen. Er nahm sie, stürmte durch die Tür zur Garage und warf sie ins Auto.
Mit einem metallischen Klimpern landete sie auf dem Sitz.
Ihre Schlüssel?
Albert riss die Tasche auf und sah einen großen Messingring. Er zog ihn heraus. Ein halbes Dutzend Schlüssel hingen daran. Zwei davon sahen aus wie Autoschlüssel.
VW -Schlüssel.
Soll ich mit ihrem Wagen flüchten?
Er stand ein paar Kilometer entfernt, dort, wo sie den Film gedreht hatten.
Ich fahre hin und tausche die Autos. Sie wird glauben, dass ihr dämlicher kleiner Käfer immer noch sicher dort steht, wo sie ihn geparkt hat. Es kann Stunden dauern, bis sie merkt, dass er weg ist.
40 NACHMITTAGSVERGNÜGEN
Lester hatte gegenüber von Emily Jeans Haus geparkt und sah ein Auto in ihre Einfahrt fahren. Es hielt an, und Emily Jean stieg aus. Sie öffnete das Garagentor, kehrte zurück zum Wagen und fuhr hinein. Nachdem sie das Tor zugezogen hatte, wartete Lester noch zwei Minuten, ehe er selbst ausstieg. Er ging zur Tür und klingelte.
Schnelle Schritte. Die Tür wurde geöffnet.
»Mr. Bryant! Wie schön, dass du vorbeikommst. Du bist früh dran.«
»Mir fiel keine gute Ausrede ein, um früher Feierabend zu machen, deshalb habe ich mir den ganzen Tag freigenommen.«
Sie drückte das Gesicht gegen seine Brust. »Wenn ich das nur gewusst hätte, hätte ich mich auch krankgemeldet, und wir hätten den ganzen Tag miteinander verbringen können. Wäre das nicht schön gewesen?«
Angesichts der verpassten Gelegenheit verspürte er einen schmerzhaften Stich. »Es ging mir durch den Kopf«, sagte er, »aber ich dachte, du hättest Skrupel, nicht zur Arbeit zu gehen.«
»Mein Gott, nein. Ich bleibe prinzipiell jedes Jahr ein paar Tage zu Hause, egal, ob ich krank bin oder nicht. Ich betrachte es als Belohnung für die harte Arbeit und mein Engagement. Außerdem müssen die Vertretungsleh rer auch von irgendwas leben.«
»Warum einigen wir uns nicht auf einen Tag nächste Woche und melden uns beide krank?«
»Würdest du dich das trauen?«
»Klar. Ich sage, es ist ein Rückfall. Das ist kein Problem. Ich fehle heute das erste Mal seit sechs Monaten.«
»Also, sollen wir uns dann nächsten Dienstag vornehmen?«
»Was spricht gegen Montag?«
»Montagskrankheiten sind zu verdächtig.«
»Okay,
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