Die Klinge: Roman (German Edition)
sie gerade aus einer Wette ausgestiegen, die sie auf keinen Fall verlieren durfte.
Meg kam ins Zimmer, presste ihre dicken Lippen zusammen und schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Du hast den ganzen Effekt verdorben.«
»Ich fühle mich so besser.«
»Tja, denk dran, du kannst die Jeans jederzeit ausziehen, wenn deine Stimmung umschlägt.«
»Danke für den Tipp. Hast du eine Feder?« Sie tippte sich an ihr Stirnband. »Ich könnte wirklich eine Feder gebrauchen.«
»Tut mir leid. Hab ich nicht. Aber wie sieht’s mit Kriegsbemalung aus? Als ich ein Kind war, haben wir dafür immer Lippenstift benutzt.«
»Haben die Indianerfrauen auch Kriegsbemalung aufgetragen?«
»Nur wenn sie sich gegen zudringliche Männer zur Wehr setzen mussten. Das wird dir heute Abend wahrscheinlich öfter passieren. Mit oder ohne Jeans.«
»Wenn ich zu Hause bleiben würde, wäre es noch schlim mer.«
»Verstehe ich nicht.«
»Ich versetze Dave.«
»Oha.«
»Als wir Mittwochabend telefoniert haben, hat er … haben wir beschlossen, uns noch einmal zu treffen. Heute Abend.«
»Du warst einverstanden?«
»Ich dachte, es wäre eine Gelegenheit, die Sache abzuschließen.«
»Die Sache abzuschließen, klar. Er würde dich wahrscheinlich vergewaltigen und … weiß Gott was. Du hast doch gesehen, was er mit Mosby gemacht hat. Der Typ ist nicht mehr ganz richtig im Kopf.«
»Das glaube ich nicht. Er ist bloß ein Arschloch.«
Meg schüttelte den Kopf. »Er könnte dir was antun, Janet. Wirklich.«
»Tja, jedenfalls werde ich ihn heute Abend nicht treffen.«
»Gott sei Dank.«
»Aber ich konnte ihn nicht erreichen. Ich weiß nicht, wie er es aufnimmt, und ich habe Angst, dass er hierherkommt, um nach mir zu suchen. Wenn ich nicht hier bin, könnte er es an dir auslassen.«
Megs blasses Gesicht lief rot an. Sie brachte ein raues Lachen zustande. »Ich bin zufälligerweise auch auf einer Party heute Abend. Bei Mosby. Nur wir beide. Bei Kerzenlicht und Fondue.«
»Wirklich?«
»Wirklich.«
»Wow! Du und Mose?«
»Genau. Wir sind uns sozusagen nähergekommen, als du neulich Abend unterwegs warst, um dir Dave vorzuknöpfen.«
»Das ist toll! Ist es was Ernstes?«
»Für mich ist es immer ernst.«
»Ich bin sprachlos.«
»Dazu gibt es keinen Grund – wir sind noch nicht verheiratet.« Aber an Megs Augenwinkeln hatten sich vor Glück Lachfalten gebildet. »Jedenfalls komme ich heute Nacht nicht nach Hause, du brauchst dir also keine Sorgen zu machen, dass Dave irgendwas mit mir anstellt … und du hast das Haus für dich allein, falls du auf der Party einen Klassetypen kennenlernst.«
»Ich arbeite nicht so schnell wie du.«
»Verdammt, du brauchst nicht zu arbeiten. Lass uns die Kriegsbemalung auftragen, ja? Dann bekommst du etwas von dem Pep zurück, den du durch die Jeans verloren hast.«
»Ach, lieber nicht. Vergessen wir die Kriegsbemalung. Ich will nicht, dass sie mich für komisch halten.«
48 LESTER DER COWBOY
Lester schloss die Tür von Emily Jeans Schlafzimmer und trat vor den Ganzkörperspiegel. Er kippte seinen Stetson nach vorn, knöpfte den Kragen des weißen Hemds zu und rückte den Westernschlips zurecht.
Helen hatte den Schlips immer gehasst. »Damit siehst du aus wie ein Hinterwäldler«, hatte sie gesagt, als er ihn in Phoenix gekauft hatte. Doch ihm gefielen die lässige Ausstrahlung und der umbrabraune Glanz des versteinerten Holzes der Brosche, deshalb hatte er ihn trotz ihres Protests gekauft. »Du kannst bis zum Sankt-Nimmerleins- Tag darauf warten«, hatte sie gesagt, »dass ich mich mit dir blicken lasse, wenn du dieses Ungetüm trägst.«
Lester sah sich im Spiegel, wie er sie spöttisch angrinste. »Heute ist Sankt-Nimmerleins-Tag«, sagte er und stieß ein kurzes Lachen aus.
Leicht vorgebeugt, ging er langsam rückwärts und ließ die Hände dabei über den Hüften schweben, wie es die Revolverhelden in den Filmen immer taten. Er begutachtete seine Haltung im Spiegel und richtete sich ein wenig auf.
Besser.
Plötzlich griff er nach seinem Revolver.
Während er ihn aus dem Holster zog, fuhr er mit der Linken durch die Luft und spannte mit dem Handballen den Hahn. Er drückte ab.
Der Schlagbolzen klackte auf die Trommel.
Mit dem Daumen spannte er erneut den Hahn, dann streckte er den Arm aus und visierte sorgfältig das Gesicht im Spiegel an.
Er drückte noch einmal ab.
Wieder spannte er den Hahn und drückte den Abzug.
Spannte und drückte ab.
Wieder und
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