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Die Klinge: Roman (German Edition)

Die Klinge: Roman (German Edition)

Titel: Die Klinge: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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wieder.

49   IAN DER MISANTHROP
    Es war noch zu früh, um loszugehen. Wenn Ian jetzt aufbräche, wäre er wahrscheinlich der erste Gast auf der Party. Er hatte einmal den Ruf gehabt, immer als Erster zu kommen und als einer der Letzten zu gehen, doch das war schon einige Jahre her, als er sich auf den Lehrerpartys noch vergnügt hatte.
    Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und verschränkte die Hände hinter dem Kopf.
    Entweder hatten die Partys sich verändert, oder er hatte sich verändert. Aus irgendeinem Grund hatte er aufgehört, sich darauf zu freuen und die Gesellschaft der anderen Lehrer zu genießen.
    Daran musste es liegen. Er mochte die Lehrer nicht mehr besonders. Einige von ihnen konnte er überhaupt nicht leiden. Manche bedauerte er. Andere waren ihm gleichgültig. Er überlegte, ob es jemanden gab, den er wirk lich mochte.
    Emily Jean Bonner. Aber sie war nicht mehr als eine flüchtige Bekannte. Sie war keine richtige Freundin.
    Er erinnerte sich daran, wie er einmal Laura gegenüber Thoreau zitiert hatte: »Ich habe nie eine Gesellschaft gefunden, die so gesellig war wie die Einsamkeit.«
    »Weil du ein Misanthrop bist«, hatte sie erklärt.
    »Nein. Weil ich wählerisch bin.«
    »Welch eine Ehre, dass du mich für würdig befunden hast«, hatte sie grinsend gesagt.
    Er sah auf seine Armbanduhr. Wenn er jetzt gehen würde, wäre er wahrscheinlich nicht der Erste, der bei Dale und Ronald auftauchte.
    Warum gehe ich überhaupt?, fragte er sich.
    Weil du nicht zu einem völligen Einsiedler werden willst.
    Und weil du manchmal gutes Material sammelst.
    Er lächelte, als er sich daran erinnerte, wie er Harrisons Auftritt als Wilder zu einer Kurzgeschichte verarbeitet und diese für ordentliche 2700 Dollar an den Playboy verkauft hatte.
    Offenbar hatte keiner der Lehrer die Geschichte jemals gelesen; seine Tarnung war nicht aufgeflogen.
    Er nahm seine Maske und ging zur Garage.

50   PARTYTIME
    Autos reihten sich an beiden Seiten der Straße auf.
    »Jemand muss eine Party geben«, murmelte Janet. »Hof fentlich finden wir einen Parkplatz.«
    Wenn nicht, dachte sie, sollte ich vielleicht besser zu Dave fahren.
    Ja, klar. So wie ich angezogen bin?
    Vergiss es, sagte sie sich.
    Sie bremste ab, warf einen Blick auf eine beleuchtete Veranda und las die Hausnummer. Das war das richtige Haus.
    An der nächsten Kreuzung bog sie rechts ab und fand bald einen Parkplatz. Sie schaltete den Motor und die Scheinwerfer aus.
    »Wird schon schiefgehen«, sagte sie.
    Sie nahm die Tüte mit der Weinflasche und öffnete die Tür. Beim Aussteigen klemmte sie sich die Tüte unter den Arm.
    Als sie zum Haus ging, spürte sie die Kälte an den Fußgelenken.
    Gut, dass ich die Jeans anhabe, dachte sie, sonst würde ich mir den Hintern abfrieren.
    Und ein paar Typen auf der Party würden ihn mir womöglich betatschen.
    Sie verspürte ein Kribbeln der Angst.
    Beruhige dich, sagte sie sich. Das mag ja eine wilde Bande sein, aber es gibt nichts, wovor du dich fürchten musst. Mein Gott, niemand wird dich angreifen. Es ist eine Party mit lauter Lehrern .
    Und Dale hat gesagt, es gäbe ein paar ungebundene Männer.
    Vielleicht ein paar Arschlöcher, aber bestimmt auch ein paar anständige Typen.
    Außerdem, dachte sie, kann ich jederzeit gehen, wenn es zu haarig wird.
    Und zu Dave fahren?
    Nein danke, lieber nicht.
    Sie ging über den Gehweg zur Veranda vor dem Haus. Ein älteres Paar wartete darauf, eingelassen zu werden. Der Mann trug einen weißen Overall und eine Kappe wie ein Anstreicher. Die Frau steckte in einem Pappkarton, der mit einer Folie beklebt war, die rote Ziegel imitieren sollte. Vielleicht war die Frau als Kamin verkleidet.
    Janet wunderte sich noch über ihre Kostüme, als Dale die Tür öffnete und das Paar begrüßte.
    Ihre Ophelia-Verkleidung bestand aus einem violetten Samtkleid mit bauschigen Schultern und tiefem Ausschnitt. Sie musste Stunden darauf verwendet haben, Blätter an dem Kleid zu befestigen, sodass es aussah, als wäre sie von Seerosen umschlungen. In ihrem wirren Haar hingen Blätter und Stängel.
    Wer steckt sich so etwas freiwillig in die Haare?, fragte sich Janet.
    Vielleicht ist das Zeug nicht echt.
    Als sie Janet entdeckte, rief Dale: »Du bist also doch gekommen!« Sie winkte sie zu sich. »Janet, ich möchte dir Phil und Susan Parsons vorstellen. Susan ist unsere Medienexpertin.« Zu den Parsons sagte sie: »Janet hat heute die Vertretung für Emily Jean übernommen, und ich dachte, es

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