Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
Mauer in hervorragendem Zustand waren.
Die Steine waren alle sauber und gut verlegt und verfugt und bildeten eine beinahe nahtlose Fläche. Eine der Vorgängerinnen der Herzogin hatte nicht einmal die Ausgaben gescheut, die Krone großzügig mit Silbernägeln besetzen zu lassen, ein hervorragender Schutz vor ruhelosen Toten, aber auch vor allen anderen Eindringlingen, die ihre Hände nicht in einen Schattenpanzer hüllen konnten. Dazwischen fand sich eine nicht ganz so große Anzahl an Eisendornen, eine ungewöhnliche Maßnahme in einer so großen Stadt wie Tien, in die sich die Kreaturen der wilden Magie nur selten vorwagten.
Ich fragte mich, ob das auf Tradition beruhte, oder ob es der Nähe zum Fluss geschuldet war, der für die Wilden einen der wenigen Zugangskanäle in die Metropole darstellte. Wie dem auch sei, ich hielt sie für etwas übertrieben. Es gab auch einfache Alarmbanne, aber in diesem Punkt hatte der Wartungsmagier miserabel gearbeitet. Sie waren so offen sichtbar, dass sogar ein magieblinder Einbrecher, der sein Handwerk nur halbwegs beherrschte, sie hätte umgehen können. Nun gab ich Triss vorübergehend frei und bedeutete ihm, er möge den verhüllenden Schatten vor meinem Gesicht abziehen.
Die Morgensonne, die inzwischen schon recht hoch am Himmel stand, hatte Triss’ Nichtsehen mehr als nur halb außer Gefecht gesetzt. Ich musste mich mit eigenen Augen umsehen, ehe ich den nächsten Schritt meines Planes ausführen konnte. Außerdem wollte ich ihm eine Chance geben, jegliche Bedenken, die er hegen mochte, zu äußern. Ich hing dort vielleicht zehn Minuten lang, ohne irgendwelche Patrouillen zu entdecken. Die ganze Zeit zog Triss sich nicht zu einer sprechfähigen Form zusammen, auch wenn ich so etwas wie ein leises Grollen in unserer magischen Bindung fühlen konnte.
Hoch und rüber, runter und fallen lassen, und drin war ich. Das herzogliche Anwesen war groß, übertroffen nur von dem Palastkomplex selbst, genauso wie die Herzogin von Tien hinsichtlich ihrer praktischen Machtfülle nur vom König übertroffen wurde. Zu jenem Zeitpunkt war sie außerdem die zweite oder dritte in der Erbfolge, je nachdem, wie man zählte.
Einige der vielen Nebengebäude, die die Wäldchen und die architektonischen Gärten des Anwesens tüpfelten, nutzte die Stadtgarde, deren ultimative Kommandantin und Lehnsherrin die Baronin war, für ihre diversen Aufgabenbereiche. Kurz übernahm ich wieder die Kontrolle über Triss, um rasch von der Mauer in den Schatten eines großen, und sorgsam gepflegten Bambushains zu gelangen. Als ich tiefer in das Gelände vordrang, sorgte ich dafür, so weit als möglich unter Bäumen zu bleiben und den unzähligen Gärtnern ebenso aus dem Weg zu gehen wie den kleinen Gruppen der Hausgardisten, die ich auf meinem Weg passieren musste.
Irgendwann ging ich durch einen Hain prachtvoller Birnbäume, und danach hatte ich eine gestohlene Frucht, die ich mir einverleiben konnte. Nach all der Energie und dem Nima, das ich hatte investieren müssen, um dem Hinterhalt im Gelbklee zu entkommen, war ich hungrig genug, die Tatsache zu ignorieren, dass diese Frucht noch lange nicht reif war. Schließlich erreichte ich mein Ziel, eine Flucht Amtsstuben und Versammlungsräume, die der Stadtgarde als mehr oder weniger permanente Basis überlassen waren.
Die Herzogin hatte ihnen das Gebäude vermietet, weil ihr das die Möglichkeit bot, sich mit ihren Offizieren zu beraten, ohne ihr Anwesen zu verlassen oder den gröberen Aspekten der Garde zu gestatten, sich in irgendeiner Weise auf ihre Residenz auszuwirken. Im Zuge der Bemühungen, die sichtbare Präsenz der Garde auf dem Anwesen zu minimieren, war eine dichte Silberdornhecke rund um das Gebäude gepflanzt worden, die das Reich der Soldaten vor den adligen Augen verbarg und mir nun zum Vorteil gereichte. Kaum war ich in die Lücke zwischen Hecke und Mauer geschlüpft, war auch ich von dem größeren Teil des Anwesens aus nicht mehr zu sehen. Ich hätte sogar Triss wieder seine Drachengestalt annehmen lassen können. Fast.
Sämtliche Gardehauptmänner unterhielten hier eine Dienststube, ebenso wie einige der wichtigeren Leutnants. Sicherheitshalber lugte ich durch das Fenster in Feis Räumlichkeiten. Ihr Dienstzimmer war das größte im Haus und lag im Erdgeschoss des Gebäudes, und ich war nicht überrascht, es dunkel und verlassen vorzufinden. Damit hatte ich gerechnet. Tief zusammengekauert huschte ich an der Außenwand entlang und
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