Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
nonverbal, um dorthin zu gelangen, wohin ich wollte, aber mitten in diesem wütenden Schwarm fiel niemandem eine überzählige Wespe auf. Ich konnte geradewegs zur Vordertür und durch die kleine Latrine neben dem Vorraum gehen, ohne dass irgendjemand versucht hätte, mich aufzuhalten.
Unter normalen Umständen hätte ich ein paar Bodenbretter hochgenommen und wäre in den Kriechkeller unter den Büroräumen abgetaucht. Wie viele der neueren Gebäude in Tiens noblen Hügelvierteln war auch dieses großzügig mit Raum zur Luftzirkulation von unten ausgestattet worden, was im Sommer für Kühlung sorgte und im Winter unter Zuhilfenahme eines der Superkaustenöfen, die aus dem Sylvani-Reich importiert wurden, der Beheizung der Räume diente. Der Raum unter dem Boden lieferte aber auch eine perfekte Möglichkeit, ungesehen voranzukommen, vorausgesetzt, man ließ außer Acht, dass jederzeit ein Durkoth aus dem Grundgestein auftauchen konnte, welches nur wenige Zoll unter der Oberfläche lag. Wozu ich nach dem, was bei Kohlschaufel und später im Gelbklee passiert war, nicht bereit war.
Stattdessen stieg ich auf eine Bank und untersuchte die schmalen Bambusrahmen mit den Papierfüllungen, die das Dach von den darunterliegenden Räumen trennten. Das rohe,ungebleichte Papier war ebenfalls typisch für neuere Gebäude, ausdrücklich dazu geschaffen, jederzeit einem anderen Zweck zugeführt zu werden.
Ich allerdings zog die alten, solideren Decken ebenso vor wie die Strohdecker und alle anderen Schattengewerbler, die sich via Dach gern illegal Zutritt verschafften. Das Papier riss viel zu leicht, und es verstärkte Geräusche wie ein Trommelfell, aber mir blieb kaum eine Wahl. Seufzend schob ich die Tafel, die der Wand am nächsten war, zur Seite und steckte den Kopf hindurch. Mir war, als hätte ich die Tür zu einem frisch angeheizten Trockenofen geöffnet, als mir die feuchte, heiße Luft ins Gesicht schlug.
Ich schob meinen Beutel hinauf und achtete darauf, dass er auf mehreren Sparren ruhte, ehe ich selbst so schnell ich nur konnte folgte. Ich hielt gerade lange genug inne, dass Triss hinuntergreifen und die Latrinentür entriegeln konnte. Dann legte ich die Tafel wieder zurück an ihren Platz. Ich konnte nur hoffen, dass in den paar Minuten, die nötig waren, damit sich die Hitze, die ich gerade in die Latrine gelassen hatte, wieder verzogen hätte, niemand hereinkam. Ich wollte nicht, dass jemand deswegen stutzte.
Schweiß überzog binnen Sekunden meinen ganzen Körper, obwohl ich mich bisher nicht einmal bewegt hatte. Wenn ich zu Feis Amtsstube wollte, musste ich auf Händen und Knien über die Sparren krabbeln und dabei den Sack vor dem Bauch tragen, weil das Dach so niedrig war, dass ich es beinahe mit dem Rücken berührte. Langsam und vorsichtig arbeitete ich mich trotz der erstickenden Hitze voran. Das Gewühl und Gewirr am Boden würde die meisten Geräusche verschlucken, die ich auf meinem Weg verursachte, aber ein zu lautes Knarren oder ein Fehltritt, bei dem eine der Papiertafeln zerriss, und ich war im Arsch.
Immer wieder musste ich innehalten und mir den Schweißaus dem Gesicht und dem Haar wischen, damit er nicht herabtropfen und die Papiertafeln beflecken konnte. Dies war ein öffentliches Gebäude, nicht das Schmuckkästchen eines Adligen, also bestanden die Füllungen aus minderwertigem Papier, sehr rau und oftmals fleckig, aber die Bewahrer waren erheblich aufgeweckter als ein durchschnittlicher Gardist. Einer von denen mochte durchaus auf eine Reihe frischer, feuchter Flecken aufmerksam werden, die sich in einer Linie über die Decke zogen, und beschließen, das Problem mit Hilfe eines Woldos oder einer anderen speerartigen Waffe zu eruieren.
Normalerweise hätte Triss die Tropfen für mich gefangen, aber ein dunkler Schatten, der über das durchscheinende Papier schleicht, wäre sogar noch verräterischer gewesen als der Schweiß, besonders, wenn das Licht von unten kam. Nachdem ich gefühlte Tausend Jahre und dreihundert Meilen gekrabbelt war, endete ich, so hoffte ich jedenfalls, über Feis Stube.
Ich war bisher nur einmal hier gewesen und das auch nur sehr widerwillig, um den Lohn für einen kleinen Kurierauftrag zu kassieren, den ich für den Hauptmann erledigt hatte. Schon damals hatte sie einen großen, offenen Raum in der hinteren rechten Ecke des Gebäudes beansprucht, den Raum, über dem ich nun war. Die relative Stille und Dunkelheit in dem Raum unter mir war beruhigend und ließ auf
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