Die Klinge von Namara: Roman (German Edition)
geschlossene Fenster und einen Platz schließen, an dem sogar die Gardisten darauf bedacht waren, sich leise zu verhalten.
Ich schob den Kopf in den Zwischenraum zwischen zwei Sparren und hob die Deckenpaneele ein paar Zoll weit an, was mir einen Blick auf einen schmalen Abschnitt des Raums gestattete. Ich erkannte Feis Schreibtisch. Er war bedeckt von einem Durcheinander aus Schreibpapier, aber der Stuhl war leer. Ich hob die Tafel noch weiter an und lauschte dabei aufmerksam. Nichts. Schließlich steckte ich den Kopf in den Raum unter mir und sah mich um. Verlassen.
Ich bewegte mich ein paar Meter nach links und hob die Tafel direkt über Feis Schreibtisch an. Das erlaubte mir, mich auf eine erhabene Fläche hinunterzulassen und die Geräusche zu vermeiden, die ein Sprung auf den Boden verursacht hätte. Ein rascher Blick auf Feis Papiere förderte nichts Nützliches zutage, aber mir fiel auf, dass darunter nichts aus den letzten beiden Tagen war. Als ich mich umblickte, entdeckte ich ein kleines Aktenregal. Auf dem obersten Brett lagerten säuberlich aufgestapelt alle aktuellen Berichte, was den Verdacht nahelegte, dass sie bisher keine Gelegenheit hatte, sie sich anzusehen.
Ich überlegte gerade, was ich nun tun sollte, als ein höfliches Klopfen an der Tür erklang. Die Art Klopfen, die ein Untergebener sich anmaßt, wenn er im Grunde weiß, dass niemand daheim ist und doch insgeheim befürchtet, er könnte sich irren. Die Angeln waren diesseits der Tür, also trat ich in den toten Winkel, der sich beim Öffnen ergeben würde, zog eines meiner Schwerter und wartete. Ein zweites Klopfen, noch leiser als das erste, ertönte. Einen Herzschlag später wurde die Tür geöffnet.
Ein großer, schlanker Mann in der Uniform eines Gardekorporals betrat den Raum mit einem großen Bogen Papier, der aufgerollt war wie eine Schriftrolle. Korporal Anjir – vom Sehen kannte ich all die Bewahrer. Als er zu dem Aktenregal ging, drückte ich leise die Tür zu und hob mein Schwert. Der Korporal erstarrte, als der Riegel leise klickend einrastete, drehte sich aber nicht um.
»Hauptmann Fei?«, fragte er sehr leise.
»Nein.«
Anjirs Schultern sackten herab. »Dachte ich auch nicht. Ich nehme an, ich bekomme etwas Scharfes und Tödliches zwischen die Schulterblätter, wenn ich irgendein lautes Geräusch oder eine hastige Bewegung mache.«
»Das ist eine sehr scharfsichtige Schlussfolgerung, Korporal.Denkt weiter so klar, und Ihr habt eine hervorragende Chance, lebend aus diesem Raum herauszukommen.«
»Die beste Neuigkeit, die ich in den letzten dreißig Sekunden vernommen habe«, kommentierte der Korporal. »Soll ich so stehen bleiben, oder würdet Ihr mich lieber an einem anderen Ort sehen?« Er hörte sich beinahe gelassen an, aber ich konnte den Schweiß sehen, der ihm allmählich über den Nacken rann.
»Bleibt einfach dort, wenn ich bitten darf. Ich habe ein paar Fragen an Euch, und es wäre mir lieb, wenn Ihr mein Gesicht nicht sehen würdet.«
»Ihr könntet mir die Augen verbinden, wenn Ihr es wünscht. Ich würde es selbst wahrlich vorziehen, Euer Gesicht nicht zu sehen. Das verbessert die Chance, dass Ihr mich am Leben lasst.«
Die Idee war gut, also signalisierte ich Triss, er möge ihm eine Schattenhaube über den Kopf stülpen.
Der Korporal zuckte kurz, als Triss über seine Augen glitt, entspannte sich aber gleich wieder. »Netter Zauber, das. Habt Dank dafür.«
Ich lehnte mich zurück und legte das Ohr an die Tür hinter mir. Von der Vorderseite des Gebäudes klang ferner Lärm herbei, doch es hörte sich nicht so an, als wäre irgendjemand auf dem Korridor. Das bedeutete, dass mir wahrscheinlich ein wenig Zeit blieb. Sollte irgendjemand gesehen haben, wie der Korporal in Feis Amtsstube ging und die Tür geschlossen wurde, und das auch nur im Mindesten verdächtig gefunden haben, dann wäre der Gardist inzwischen längst lange genug hier, um eine zielgerichtetere Aufmerksamkeit hervorzurufen. Nun jedoch lautete die Frage, wie lange es wohl dauern würde, bis irgendjemand ihn bei was immer er als Nächstes zu tun hatte vermissen würde.
»Gern geschehen«, sagte ich, und dann, weil ich neugierig war: »Ihr wirkt nicht annähernd so beunruhigt, wie ich erwartet hätte.«
»Ich arbeite für Hauptmann Fei. Das ist nicht das erste Mal,dass mir bei der Arbeit ein Sack über den Kopf gezogen wurde. In der Vergangenheit ist es immer gut ausgegangen.«
»Da wir gerade von dem guten Hauptmann sprechen: Wo
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