Die Klinge
noch.
Paula stieg wieder aus und war froh, dass der Mond noch immer schien. Sie öffnete die Motorhaube, leuchtete mit der Taschenlampe in den Motorraum und fluchte leise. Jemand hatte sämtliche Zündkabel abgezogen. Sie steckte die Kabel wieder an und wollte gerade in den Wagen steigen, als sie im Gras einen kleinen Notizblock entdeckte. Sie nahm ihn an sich und setzte sich hinters Steuer. Als sie den Zündschlüssel ins Schloss stecken wollte, entglitt er ihren froststeifen Händen. Fast eine halbe Stunde suchte sie bei von innen verriegelten Türen danach, bis sie ihn endlich in einer Ritze neben dem Fahrersitz fand. Als der Motor ansprang, war Paula unendlich erleichtert. Sie steckte die Browning in den Bund ihres Rocks und fuhr los. Wer konnte schon sagen, was sie auf der teuflisch steilen Straße den Berg hinauf noch alles erwartete.
Als sie schließlich wieder die Straße zu dem unheimlichen Dorf erreicht hatte, verbarg sich der Mond abermals hinter den Wolken, und dichter Nebel hüllte die Ortschaft ein. Im Schritttempo fuhr Paula zwischen den verfallenen Häusern hindurch, wobei sie jede Sekunde mit einem Hinterhalt rechnete. Erst als sie am See entlang auf Lugano zufuhr, hellte sich ihre Stimmung wieder auf.
»Ich werde Tweed auf Black Jack hetzen«, schwor sie sich. »Der soll ihn sich vornehmen, bis ihm die Zähne klappern.« Schließlich hatte der hinterhältige Kerl sie in eine Falle gelockt. Bebend vor Zorn, fuhr sie die Auffahrt zum Hotel hinauf und war nicht sonderlich erstaunt, dort mehrere Polizeifahrzeuge mit eingeschaltetem Blaulicht vor dem Eingang stehen zu sehen.
Es waren so viele Einsatzfahrzeuge da, dass Paula fast keinen Parkplatz fand. Als sie schließlich aus dem Auto stieg, kam ein uniformierter Polizist auf sie zu und sagte etwas auf Italienisch zu ihr. Paula versuchte ihm mit Zeichensprache klar zu machen, dass sie ihn nicht verstand.
»Ich bin Engländerin.«
»Sie können hier nicht parken«, sagte der Mann in schlechtem Englisch. »Das Hotel ist geschlossen.«
»Aber das ist doch lächerlich«, brauste Paula auf. »Ich wohne in dem Hotel. Mein Name ist Paula Grey.«
»Lassen Sie sie vorbei«, ließ sich eine vertraute Stimme vernehmen, und kurz darauf kam Arthur Beck im Trenchcoat auf sie zu.
»Tweed ist in der Hotelhalle«, sagte er mit ernstem Gesicht. »Er macht sich schreckliche Sorgen um Sie. Es ist ein weiterer Mord geschehen.«
33
Als der Polizist versucht hatte, sie an der Tür zurückzuhalten, waren Paulas ganzer Frust und ihre Anspannung aus ihr herausgebrochen. In der Hotelhalle fiel ihr erster Blick auf Tweed, der sie mit einer Mischung aus Verärgerung und Erleichterung ansah. Sie wusste, dass er vor Sorge über sie außer sich gewesen sein musste.
»Wo haben Sie nur gesteckt?«, fragte er. »Ich habe Butler, Nield und Newman losgeschickt, damit sie nach Ihnen suchen …«
»Ich bin nicht allein losgefahren«, erwiderte Paula aufgebracht. »Newman sollte mir folgen, war aber plötzlich verschwunden. Wenn Sie sich wieder beruhigt haben, hätte ich Ihnen eine Menge zu erzählen.«
Paula war noch so von den Erlebnissen der letzten Stunden erfüllt, dass ihr die Bedeutung von Becks Bemerkung vor dem Hotel noch gar nicht klar geworden war. Tweed ergriff sie wortlos am Arm und führte sie in den wartenden Lift, wo sie ihre Schimpftirade fortsetzte, kaum dass sich der Lift in Bewegung gesetzt hatte.
»Und außerdem will ich, dass Sie Black Jack gnadenlos in die Mangel nehmen. Er hat mich in eine Falle übelster Art laufen lassen.«
Tweed sagte immer noch nichts, bis sie in Paulas Zimmer waren. Auf dem kleinen Beistelltisch standen drei ungeöffnete Flaschen: Wasser, Scotch und Chardonnay. Paula beruhigte sich langsam wieder, als ihr klar wurde, dass Tweed diese Getränke auf ihr Zimmer bestellt haben musste.
»Vielleicht erst mal einen Scotch?«, schlug Tweed vor. »Obwohl, ich weiß nicht so recht. Doch lieber erst ein Glas Wasser und dann einen Chardonnay?«
»Erst ein Glas Wasser, dann Chardonnay«, sagte Paula und ließ sich seufzend auf einen Stuhl sinken.
Tweed wartete, bis sie ihren Durst gestillt und den ersten Schluck von dem Weißwein genommen hatte, dann nahm er mit ernster Miene ihr gegenüber Platz.
»Ich bin ja so erleichtert, dass Sie wieder wohlbehalten zurückgekommen sind. Und ich möchte mich für meinen Ausbruch von vorhin entschuldigen. Ich weiß, dass Newman Sie begleiten sollte. Aber sein Wagen wollte nicht anspringen. Er hat den
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