Die Klinge
Autoverleih schon angerufen und sich fürchterlich beschwert. Jetzt haben sie ihm einen neuen Wagen gebracht.«
»Wie gesagt, ich will, dass Sie Black Jack gnadenlos in die Mangel nehmen«, sagte Paula und machte sich dann daran, ihm haarklein zu schildern, wie ihre Verfolgung des Audis in einen Albtraum gemündet war. Sie erzählte ihm, welche entsetzlichen Ängste sie in dem Haus am See ausgestanden hatte, und vergaß auch nicht, das Gemälde in der Hotelhalle zu erwähnen, auf das Black Jack sie aufmerksam gemacht hatte. Zum Schluss holte sie noch die Karte hervor, die er für sie gezeichnet hatte. Tweed warf nur einen flüchtigen Blick darauf und legte sie sofort wieder auf den Tisch.
»Ich habe schlechte Neuigkeiten.«
»O Gott!«, rief sie. Schlagartig fiel es ihr wieder ein. »Beck hat mir ja gesagt, dass es einen weiteren Mord gegeben hat.«
»Ja, es hat einen weiteren Mord gegeben. Und deswegen werde ich Black Jack auch nicht in die Mangel nehmen können. Man hat seine Leiche am Fuß des Monte San Salvatore gefunden, gleich in der Nähe der Seilbahnstation, die nachts geschlossen ist«, sagte er und hielt kurz inne, ehe er weitersprach. »Geht es wieder?«
Paula nickte und zwang sich zu einem schiefen Lächeln.
»Sieht so aus, als ob unser Täter wieder zugeschlagen hätte«, fuhr Tweed fort. »Der Leiche fehlt der Kopf.«
»Das ist ja grauenvoll«, stammelte Paula, nachdem sie den ersten Schock überwunden hatte. »Irgendwie mochte ich Black Jack doch, auch wenn er mir manchmal ziemlich auf den Geist gegangen ist. Er war ein Original und immer voller Leben. Wie lange ist die Tat her?«
»Soweit wir es in diesem frühen Stadium der Ermittlungen sagen können, dürfte der Mord vor einer knappen Stunde geschehen sein. Ich bin eben erst vom Tatort zurückgekommen.«
»Dann könnte ihn theoretisch dieses Phantom verübt haben, das sich vor dem alten Haus an meinem Wagen zu schaffen gemacht hat.« Paulas Gedanken überschlugen sich. »Nachdem ich ihn endlich wieder in Gang gebracht hatte, habe ich eine Ewigkeit gebraucht, um hierher zurückzukommen. Das Phantom hingegen ist gerast wie ein Wahnsinniger.«
»Können Sie diese mysteriöse Gestalt im Nebel näher beschreiben?«
»Nein, leider nicht. Es war, als ob man ein Gespenst vor sich hätte - und das auch nur für ein paar Sekunden. Ist draußen ein Audi geparkt? Ich hätte darauf achten und überprüfen sollen, ob seine Motorhaube noch warm ist.«
»Ja, da steht ein Audi. Aber das hätte Ihnen bei der Kälte nicht viel genützt. Da verliert der Motor zu schnell an Wärme.«
»Aber wir könnten wenigstens in Erfahrung bringen, wem der Wagen gehört.«
»Das wissen wir bereits. Er gehört Sophie.«
Paula starrte Tweed ungläubig an. Dann griff sie in ihre Jackentasche und holte einen kleinen Notizblock heraus.
Es war einer von der Sorte, wie sie überall im Hotel herumlagen und auf denen vorn der Name Splendide Royal aufgedruckt war.
»Den habe ich im Gras neben der Fahrertür gefunden, als ich von dem grässlichen Haus wegfahren wollte, aber feststellen musste, dass der Wagen nicht ansprang«, sagte sie und reichte Tweed den Block. »Wer immer sich daran zu schaffen gemacht hat, muss ihn dort verloren haben. Vielleicht in dem Moment, als ich über seinen Kopf hinweggefeuert habe. Ich glaube, wir können uns jetzt ziemlich sicher sein, dass unser Täter im Hotel wohnt.«
Tweed besah sich das erste Blatt des Blocks, auf dem die beiden Druckbuchstaben CH und ein paar Gedankenstriche standen. Er zeigte sie Paula und fragte sie nach ihrer Meinung.
»Mit diesen Buchstaben beginnen in der Schweiz alle Autonummern. Das steht für Confoederatio Helvetica, das heißt Schweizer Eidgenossenschaft. Aber ich habe keine Ahnung, was die Bindestriche dahinter bedeuten sollen.«
Tweed schlüpfte - um eventuell vorhandene Fingerabdrücke nicht zu verwischen - in die Latexhandschuhe, die er stets bei sich trug, und blätterte vorsichtig um. Am oberen Rand des Blocks war deutlich zu sehen, dass ein Blatt herausgerissen worden war. Tweed hielt das Blatt unter die Tischlampe und drehte es mehrmals hin und her.
»Da hat sich etwas von dem anderen Blatt durchgedrückt, aber ich kann beim besten Willen nicht entziffern, was es war. Aber Sie haben Recht. Der Block bestätigt uns tatsächlich, dass der Täter im Hotel abgestiegen sein muss. Das engt das Feld der Verdächtigen natürlich enorm ein.«
»Können wir nicht feststellen, wer das Hotel verlassen
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