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Die Klinge

Titel: Die Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
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wir denn da?«, sagte Tweed, nachdem sie eine Weile schweigend gesucht hatten. »Das ist doch Sam Snyder, der da gerade das Gebäude betritt. Was hat denn der dort zu suchen?«
    »Lassen Sie mich mal sehen«, sagte Newman und nahm den Abzug. »Stimmt, das ist Snyder. Zu wem der wohl wollte? Roman Arbogast war es bestimmt nicht, der gibt nämlich keine Interviews.«
    »Eines ist wirklich seltsam«, sagte Tweed und deutete auf die Fotos. »Snyder ist die einzige Person, die Elena gleich fünfmal hintereinander fotografiert hat. Und zwar unterhalb der Treppe, dann auf halbem Weg die Stufen hinauf, dann oben, dann vor der Drehtür und schließlich in der Drehtür. Fünfmal. Wieso nur?«

7
    Dr. Abraham Seale kam später als angekündigt. Ohne ein Wort der Entschuldigung ließ er sich von Monica ins Büro führen. Paula war er auf den ersten Blick unsympathisch. Er hatte kaum noch etwas mit dem Mann gemeinsam, dessen Vortrag sie einmal besucht hatte.
    Der Kriminologe war ein hoch gewachsener, hagerer Mann mit kräftigem Adamsapfel. Er trug einen altmodischen, schwarzen Gehrock und ein weißes Hemd mit steifem, viktorianisch anmutendem Stehkragen. Das lange Gesicht war von tiefen Falten durchzogen, und er blickte mit kalten Augen in die Welt. Dichtes, dunkles Haar und ebensolche Augenbrauen unterstrichen den dämonischen Eindruck. In der rechten Hand hielt er einen schwarzen Spazierstock mit einem silbernen Knauf in Form eines Schlangenkopfes.
    Aufrecht wie ein Fahnenmast nahm Seale auf dem Stuhl gegenüber Tweed Platz. Es war schwer, sein Alter zu schätzen, aber seine Stimme klang überraschend jung. Er umklammerte den Knauf des Spazierstocks mit beiden Händen und ließ seinen Blick durch den Raum schweifen, ehe er sich mit herablassender Miene an Tweed wandte.
    »Ich habe nicht viel Zeit. Ich bin ein viel beschäftigter Mensch, aber Buchanan bestand nun mal darauf, dass ich zu Ihnen komme. Ich nehme an, Sie sind Tweed.«
    »Ganz recht, der bin ich.«
    »Das ist ja ein prachtvoller Spazierstock, den Sie da haben«, bemerkte Newman und streckte die Hand danach aus.

    Zögernd schob Dr. Seale den Stock ein wenig in Newmans Richtung, ohne ihn jedoch loszulassen. Als Newman danach griff, um den seltsamen Schlangenkopf näher zu betrachten, riss Seale den Stock wieder an sich.
    »Der Knauf ist aus reinem Silber. Ich möchte nicht, dass er beschmutzt wird.«
    »Was können Sie für uns tun? Oder besser gesagt, was können wir für Sie tun?«, begann Tweed das Gespräch.
    »Hören Sie mir gut zu. Man hat mir gesagt, dass Sie mit dem Mord an dem Hausmeister Hank Foley im amerikanischen Pinedale und einem ganz ähnlich gelagerten Fall hier in Bray befasst sind. Das wichtigste Merkmal beider Fälle ist, dass beide Opfer enthauptet wurden und die Köpfe verschwunden sind.«
    »Foleys Kopf könnte ins Meer geworfen worden sein, der von Holgate in die Themse«, sagte Paula.
    »Unsinn«, herrschte Seale sie an. »Wenn das so wäre, hätte man sich der Leichen auf dieselbe Weise entledigt. Aber das ist nicht der Fall. Ein weiterer bedeutsamer Faktor ist der, dass wir es hier mit einem Mörder zu tun haben, der abnormal veranlagt ist. - Ich kann Ihnen nicht sagen, ob er ein Mann oder eine Frau ist, aber dass er nicht normal ist, das weiß ich bestimmt«, wiederholte er mit Nachdruck.
    »Dann sollte man ihm doch eigentlich leicht auf die Spur kommen«, meinte Tweed.
    »Ganz im Gegenteil. Solche Menschen verhalten sich die meiste Zeit über völlig normal. Sie müssen bedenken, dass auf die eine oder andere Weise wir alle von der Norm abweichen, auch wenn das noch nicht ins allgemeine Bewusstsein gedrungen ist. Wie oft stellen wir uns die Frage: Warum habe ich das jetzt getan? Es gibt natürlich graduelle Unterschiede. Bei einem Täter, der seine Opfer enthauptet, haben wir es natürlich mit einem besonders krassen Fall zu tun. Aber glauben Sie jetzt bloß nicht, Sie würden auf den ersten Blick erkennen, welche Abgründe des Grauens sich
vor Ihnen auftun, wenn sie mit dieser Person im Restaurant beim Essen sitzen.«
    »Was für eine angenehme Vorstellung«, entgegnete Tweed sarkastisch.
    »Unser Täter ist hochintelligent, davon bin ich überzeugt. Im Umgang mit so genannten normalen Menschen benimmt er sich absolut unauffällig, sodass keiner weiß, mit wem er es zu tun hat. Bundy, der drüben in den Staaten viele Frauen vergewaltigte und tötete, konnte seinen Opfern nur deshalb so nahe kommen, weil er ihnen vollkommen normal und

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