Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Klinge

Titel: Die Klinge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colin Forbes
Vom Netzwerk:
sagte Marler. »Könnte man damit nicht jemandem den Kopf abschneiden?«
    »Das wäre einen Gedanken wert«, sagte Tweed. »Eines steht auf jeden Fall fest: Einen Menschen wie Seale bekommt man nicht alle Tage zu sehen.«
    »Stimmt nicht ganz«, widersprach Newman. »Jetzt fällt es mir nämlich wieder ein. Ich habe ihn schon auf Sophies
Geburtstagsparty gesehen, und zwar in voller Abendmontur. Er saß an einem der Tische weiter hinten.«
    »Ihnen entgeht aber auch gar nichts«, sagte Paula.
    »Sam Snyder war übrigens auch da. Ebenfalls an einem der hinteren Tische.«
    »Sam Snyder«, wiederholte Tweed und sah zum Fenster hinaus. »Ich frage mich immer noch, weshalb Elena ausgerechnet von ihm gleich fünf Fotos gemacht hat.«

8
    Bewaffnet mit Tweeds Bibliotheksausweis ging Paula rasch die Harley Street entlang. Seales Tipp hatte ihr den ganzen Terminplan über den Haufen geworfen. Eigentlich hätte sie ein Taxi nehmen sollen, aber typischerweise war genau dann, wenn man eines brauchte, keines zu kriegen. Also hatte sie den weiten Weg bis zur in der Nähe des St. James Square gelegenen Wychwood Library zu Fuß zurücklegen müssen. Weil es kalt war, hatte sie sich einen dicken Mantel übergezogen, bevor sie die Park Crescent verlassen hatte. Der Himmel war dunkelgrau und sah nicht gerade freundlich aus.
    Während sie die Gehsteige entlangeilte, ertappte sie sich dabei, wie sie jeden Passanten im Vorbeigehen musterte. Alle sahen ganz normal aus, aber waren sie es auch wirklich? Seales Vortrag kurz zuvor hatte Paula schwer beeindruckt. Als sie den Piccadilly überquerte, wo sich noch mehr Passanten drängten, hatte sie auf einmal das Gefühl, als ob alle Menschen ringsum abnormal wären. Hör auf damit!, befahl sie sich.
    Schließlich kam sie bei der Bibliothek an, aber schon ihre erste Begegnung mit der Bibliothekarin war wenig verheißungsvoll. Die mittelalte Frau mit bleichem Teint musterte erst den Ausweis, den Paula ihr gegeben hatte, dann Paula selbst, ohne die Lippen zu einem Lächeln zu verziehen.
    »Sie sind eine Frau«, sagte die Bibliothekarin. »Der Ausweis hier ist aber für einen Mann.«

    Was du nicht sagst, fauchte Paula insgeheim. Sie hatte es eilig und ärgerte sich darüber, dass die Frau ihr Schwierigkeiten machte. Furchtbar, diese Beamtenmentalität, dachte sie, während sie in ihrer Tasche nach einer Karte der General & Cumbria Versicherung suchte, der Tarnfirma des SIS.
    »Rufen Sie hier an, und Mr. Tweed wird Ihnen bestätigen, dass alles seine Ordnung hat. Ich bin seine persönliche Assistentin.«
    »Da ist besetzt«, sagte die Frau, nachdem sie die Nummer gewählt hatte. »Nehmen Sie doch da drüben Platz, ich versuche es später noch einmal.«
    Es hatte keinen Zweck, der alten Schreckschraube zu sagen, dass es ihr pressierte - das hätte sie nur mit Fleiß langsam arbeiten lassen. Also setzte sich Paula schicksalsergeben auf die Couch an der gegenüberliegenden Wand, stellte ihre Aktentasche auf den Boden und wartete. Und dabei habe ich nicht einmal ein Buch dabei, das ich lesen könnte, dachte sie. Heute ist wahrlich nicht mein Tag. Paula sah auf die Uhr und dachte, sie könne sich die Wartezeit verkürzen, indem sie sich bei dem Imbiss um die Ecke etwas zu essen holte. Nur eine Kleinigkeit, später würde sie ja mit Marienetta bei Brown’s Tee trinken. Und da musste sie pünktlich sein. Wie sie nämlich gehört hatte, verabscheute es Marienetta zutiefst, wenn jemand verspätet zu einer Verabredung kam. Nach dem Treffen würde sie keine Zeit mehr haben, um sich für den Drink mit Black Jack umzuziehen, aber das war ihr egal. Für einen Typen wie ihn brauchte sie sich keine Umstände zu machen.
    Ein alter Herr mit weißem Haar kam herein und fing mit der Bibliothekarin ein längeres Gespräch an. Es sah nicht so aus, als ob sie in nächster Zeit einen weiteren Versuch machen würde, Tweed zu erreichen. Paula sah sich um und bemerkte, wie jemand die Treppe vom Lesesaal herabkam. Es war Dr. Seale, der so aufrecht ging, als hätte er einen Ladestock verschluckt. Die Bibliothekarin entschuldigte
sich bei dem weißhaarigen Herrn und rief Dr. Seale zu: »Ich hoffe, Sie haben gefunden, was Sie suchten, Herr Doktor.«
    Der kriegt hier wohl eine Vorzugsbehandlung, dachte Paula. Seale beachtete die Bibliothekarin kein bisschen, sondern ging schnurstracks auf Paula zu, verbeugte sich steif und setzte sich dann neben sie auf das Sofa. Paula war nicht wenig verblüfft, als er ihre Hand ergriff und sanft

Weitere Kostenlose Bücher