Die Klinge
Waldszenen bemalt war, die Tweed irgendwie an Pinedale erinnerten. Marienetta war ungewöhnlich still. Erst als die Kellnerin ihre Bestellung aufgenommen hatte, wurde sie etwas gesprächiger. Der einzige andere Gast in dem Coffeeshop war eine gut gekleidete alte Dame, die einige Tische von ihnen entfernt saß.
»Der Kaffee ist gar nicht so schlecht«, sagte Tweed.
»Ich möchte Ihnen dafür danken, dass Sie mir so schnell zu Hilfe gekommen sind«, begann Marienetta. »Sie sind mir als Einziger eingefallen, Mr. Tweed, der Sophie hätte beruhigen können. Und das haben Sie dann ja auch getan, und zwar mit großem Erfolg, wie ich finde. Sophie hat sich in eine fürchterliche Wut hineingesteigert. Der Arzt hat ihr zwar Valium verschrieben, aber sie vergisst ständig, es zu nehmen.«
»Seit wann leidet sie denn unter solchen Anfällen?«, fragte Tweed.
»Schon seit ihrer frühen Kindheit. Normalerweise gelingt es mir, sie zu beruhigen, aber wie Sie ja gerade mitbekommen haben, ist sie manchmal einfach nicht zu bremsen. In letzter Zeit macht sie mir echte Sorgen. Denken Sie nur an ihre verrückte Idee, Black Jack zu heiraten. Mein Onkel ist auch ziemlich sauer, aber Sophie ist nun mal dreißig Jahre alt und kann tun, was ihr beliebt.«
»War sie eigentlich immer schon eifersüchtig auf Sie?«, fragte Tweed. »Normalerweise bekommen doch die Jüngeren mehr Aufmerksamkeit als die Älteren.«
»Stimmt. Und Sophie ist fünf Jahre jünger als ich.« Marienetta hielt inne und trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Es ist mir fast peinlich, Ihnen das zu sagen, aber Onkel Roman hat ziemlich bald erkannt, dass ich einfach intelligenter bin als Sophie. Das hat er gesagt, nicht ich, fassen Sie es also bitte nicht als Selbstbeweihräucherung auf. Was Black Jack betrifft, so kann es gut sein, dass Sophie ihn demnächst wie eine heiße Kartoffel fallen lässt. Das hat sie schon mit ein paar anderen Heiratskandidaten gemacht. Sobald die nicht mehr nach ihrer Pfeife getanzt haben, wurden sie abserviert.«
»Sie haben mir doch erzählt, dass Sophie für die Waffenabteilung von ACTIL zuständig ist«, sagte Tweed. »Halten Sie es für eine gute Idee, jemandem wie ihr ein so explosives Geschäft anzuvertrauen?«
»Gerade wollte ich Ihnen von Sophies anderer Seite erzählen. Sie ist nämlich auch eine brillante Wissenschaftlerin, und außerdem wirft Broden ständig ein Auge auf ihre Abteilung, sodass sie keine falschen Entscheidungen treffen kann.«
»Ich kann mir kaum vorstellen, dass sie mit einem ungehobelten Kerl wie Broden auskommt.«
»Doch, das tut sie, auch wenn es Ihnen seltsam erscheinen mag. Vorhin, als Sophie durchgedreht hat, dachte ich einen Augenblick lang sogar daran, Broden anzurufen,
aber der hätte sich wahrscheinlich gleich auf Black Jack gestürzt.«
»Diamond scheint mir ganz gut auf sich aufpassen zu können.«
»Das ist mir auch klar. Aber ich habe mich trotzdem für Sie entschieden. Sie werden mit einer solchen Situation einfach besser fertig, weil Sie ein ebenso ruhiger wie entschlossener Mensch sind.« Marienetta lächelte Tweed an. »Und ich hatte ja auch Recht damit, wie sich gezeigt hat.« Es war ein strahlendes Lächeln ohne jeden Versuch, mit ihm zu flirten. »Vielleicht können wir zwei ja mal in aller Ruhe zu Abend essen. Ich mag reife Männer, weil die jüngeren heutzutage doch arge Machos sind. Was Frauen anbelangt, wollen sie alle nur das eine.«
»Das ist wohl seit der Steinzeit so. Aber um auf das Abendessen zurückzukommen, ich hätte auch Lust dazu, aber erst, wenn ich wieder etwas weniger Arbeit habe.«
»Vergessen Sie die Arbeit«, redete sie ihm zu. »Ich habe das Gefühl, als würden Sie schuften wie ein Stier. Ein netter, entspannter Abend würde Ihnen gut tun. Zum Teufel mit der Park Crescent.«
»Sagen Sie jetzt bitte nichts«, sagte Tweed auf einmal, weil eine ihm nur zu gut bekannte Gestalt gerade den Coffeeshop betreten hatte und nun mit einem selbstzufriedenen Grinsen direkt auf ihren Tisch zukam.
Es war Sam Snyder.
Snyders Gesicht kam Tweed noch knochiger und raubvogelartiger vor, als er es von ihrer letzten Begegnung in der Park Crescent in Erinnerung hatte. Außerdem schienen seine dunklen Augen noch stechender und sein Gehabe noch penetranter zu sein. Ohne aufgefordert worden zu sein, zog er sich einen Stuhl heran und setzte sich.
»Ich nehme dasselbe wie die Herrschaften«, sagte Snyder barsch zu der Kellnerin, die gerade kam.
»Aus was für einem Loch kommen
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