Die Klinge
aber hier in Europa macht er
sich rar. So als wollte er unsichtbar bleiben. Das ist doch nicht normal.«
Bei dem letzten Wort horchte Paula auf. Normal und abnormal, dachte sie. Das hatte Professor Seale über den Mörder gesagt. Tweed lächelte sie freundlich an und blickte dann hinüber zum Tisch der Arbogasts. Er hörte, wie Roman lachte und Sophie zu ihrer guten Arbeit in Vevey beglückwünschte. Den verschlossenen Raum erwähnte er mit keinem Wort. Sophie strahlte und hatte sichtlich Mühe, ihre Freude über das Lob zu verbergen. Marienetta, die neben ihr saß, gab ihr einen Kuss auf die Wange, während Black Jack sein riesiges Frühstück in sich hineinschaufelte, als würde er die nächsten vierzehn Tage nichts mehr zu essen kriegen. Er sagte kein Wort, was eigentlich untypisch für ihn war. Auf Tweed wirkte er, als hätte er eine anstrengende Nacht hinter sich.
Tweed erzählte seinen Leuten von Arbogasts Einladung zu dem Ausflug mit der Zahnradbahn und sagte, dass es ihm recht wäre, wenn alle mitkämen. Newman runzelte die Stirn. Er fragte sich, weshalb Tweed sie alle dabeihaben wollte.
Paula lachte gerade über einen von Pete Nields Witzen, als ein großer, athletisch gebauter Mann an ihren Tisch kam. Erstaunt erkannte sie Ed Danvers, den FBI-Agenten aus der Londoner Botschaft, der ihnen in der Park Crescent einen Besuch abgestattet hatte.
»Na, störe ich?«, sagte er freundlich. »Wenn ja, dann löse ich mich gleich wieder in Luft auf. Das ist einer meiner spektakulärsten Tricks.«
»Sie stören doch nie«, flötete Paula. »Hier, neben mir ist noch etwas Platz. Sehen Sie, der Kellner bringt schon einen Stuhl.«
Danvers, der einen sportlichen Sakko und Jeans trug, setzte sich zwischen Paula und Tweed. Er wirkte wie
immer gesund und gut durchtrainiert, aber man sah ihm an, dass er unter großer Anspannung stand. Trotzdem erwiderte er Paulas freundliches Lächeln, als sie ihm eine Tasse Kaffee einschenkte.
»Sie hätte ich hier nun wirklich nicht erwartet«, sagte sie.
»Für mich kam diese Reise auch überraschend«, erklärte Danvers mit leiser Stimme. »Mein Auftrag lautete, den Vizepräsidenten auf Schritt und Tritt zu begleiten. Vor zwei Tagen sind wir nach Genf geflogen und in einer Limousine, die am Flughafen auf uns wartete, hierher gefahren. Straub ist sofort auf seine Suite gegangen und hat mir gesagt, ich soll mir einen schönen Tag machen. Ich habe natürlich protestiert, aber er hat mir die Tür sozusagen vor der Nase zugeschlagen. Die nächsten zwei Tage lang habe ich ganz Montreux nach ihm abgesucht, aber er war wie vom Erdboden verschluckt. An der Rezeption hing der Schlüssel zu seiner Suite am Haken, also war er nicht mehr im Hotel. Aber heute früh ist Straub plötzlich wieder aufgetaucht. Sie fragen sich jetzt sicher, weshalb ich Ihnen das alles erzähle, Mr. Tweed. Ganz einfach, Ihr Freund Cord Dillon ist auch mein Freund. Er hat von Ihnen und Paula in den höchsten Tönen geschwärmt. Irgendwo muss ich meinem Ärger Luft machen, und deshalb vertraue ich mich Ihnen an.«
»Warum benimmt sich Straub Ihrer Meinung nach so merkwürdig?«, fragte Tweed ebenso leise.
»Wenn ich das nur wüsste! Er sei in geheimer diplomatischer Mission unterwegs, behauptet er. Heute früh hat er ganz beiläufig erwähnt, dass er in Paris war. Ich weiß nicht, ob ihm das unabsichtlich herausgerutscht ist oder ob es ein gezieltes Ablenkungsmanöver war. Sei’s drum, ich frage mich, wieso wir dann nicht direkt von London nach Paris geflogen sind. Ich kann mir auf das alles keinen Reim machen. Aber ich bin ja auch bloß ein winziges Rädchen im Getriebe.«
»Apropos Rädchen, wir fahren nach dem Frühstück mit der Zahnradbahn auf den Rochers de Naye«, sagte Paula. »Roman Arbogast hat uns dazu eingeladen.«
»Tatsächlich? Straub fährt nämlich auch. Vielleicht hat Arbogast ihn ebenfalls eingeladen. Keine Ahnung, aber ich wünschte, ich wäre wieder am Grosvenor Square.«
»Arbogast winkt uns zu«, sagte Tweed. »Ich schätze, es geht los, und wir sollen kommen.«
»Wenigstens kann auf einem Berggipfel nicht viel passieren«, sagte Danvers.
Arbogast hatte mehrere Limousinen gemietet, die die große Gruppe zur Talstation der Zahnradbahn brachten. Eigentlich hätten sie auch zu Fuß gehen können, die Station lag immerhin in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs. Zu Paulas Erstaunen war der Zug hochmodern und erinnerte mit seinem stromlinienförmigen Äußeren an den französischen
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