Die Klinge
nein!«, keuchte sie und hielt sich den Mund zu. Dann richtete sie sich auf. »O Gott, nein«, wiederholte sie gedämpft.
Die Gestalt, die vor ihr auf dem Boot saß, war Elena Brucan. Abgesehen von ihrer starren Haltung, wirkte sie so, als würde sie sich nur ausruhen. Paula schob Dr. Zeitzler, der versuchte, sie zurückzuhalten, beiseite und trat entschlossen auf das Boot zu. Tweed eilte an ihre Seite, und Newman, der so schnell wie möglich aus dem Hotel nachgekommen war, befand sich dicht hinter ihr.
»Wenigstens hat er sie nicht enthauptet«, sagte Paula mit fester Stimme und näherte sich dem Boot. Hinter ihrem Rücken warf Zeitzler dem schweizerischen Polizeichef einen besorgten Blick zu. Beck seinerseits machte eine resignierte Geste. Es hatte keinen Sinn mehr, sie jetzt noch aufhalten zu wollen. Sie würde sich dem Anblick stellen müssen.
Das Erste, was Paula mit Erstaunen und zunehmendem Entsetzen wahrnahm, war eine große, bräunliche Lache auf dem schmalen Uferweg neben dem Boot. In der Mitte war eine rechteckige, freie Fläche, die dem Abdruck ähnelte, den sie in dem hohen Gras in der Nähe des Sanatoriums in Pinedale gesehen hatte. Hier musste ein Richtblock gestanden haben. Zögernd näherte sich Paula der reglosen Gestalt von Elena Brucan, die nun unmittelbar vor ihr am Heck des Bootes saß. Ein paar Zentimeter unterhalb des Kinns entdeckte sie eine bräunliche Kruste aus getrocknetem Blut, die rings um den ganzen Hals lief.
»Der Mistkerl hat sie doch enthauptet«, flüsterte Paula mit stockender Stimme. »Deshalb sitzt auch ihr Hut so schief.«
»Ja, er hat sie enthauptet«, sagte Tweed. »Und dann hat er den Kopf an den Haaren in die Höhe gehalten, ausbluten lassen und ihn ihr wieder auf den Hals gesetzt.«
»Das ist widerlich!«, rief Paula. »Ich werde dieses Monstrum finden, und wenn ich es gefunden habe, bringe ich es um …«
Paula zitterte am ganzen Leib, als Tweed ihren Arm ergriff, um sie ins Hotel zurückzubringen. Er und Newman dachten, es sei der Schock, der sie so zittern ließ, aber sie täuschten sich. Paula zitterte vor Wut.
»Sie war eine so feinsinnige Frau«, sagte Paula, als sie sich dem Hoteleingang näherten. Ihre Stimme bebte vor Trauer. »Und sie hat niemandem etwas Böses getan. Warum nur musste sie sterben?«
»Wahrscheinlich weil sie sich der falschen Person anvertraut hat«, mutmaßte Tweed. »Dem Täter muss klar geworden sein, dass Elena ihn verdächtigte.«
»Können wir vielleicht einen Augenblick stehen bleiben?«, bat Paula.
Die beiden Männer warteten, während sie die eisig kalte Abendluft in gierigen Zügen in sich einsog. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich an Tweed.
»So, jetzt geht es mir wieder besser. Ich bin übrigens der Ansicht, dass wir unsere Erkenntnisse lieber für uns behalten sollten.«
Als sie in die Hotelhalle traten, kam Marienetta gerade aus dem Lift. Sie warf Paula einen besorgten Blick zu.
»Was ist denn mit Ihnen los? Sie sind ja ganz blass im Gesicht.«
»Mir geht es bestens. Wir kommen nur gerade von einem kleinen Spaziergang zurück. Ich bin gestolpert und der
Länge nach hingefallen. Deswegen bin ich jetzt etwas außer Atem.«
»Dann gehen Sie am besten gleich nach oben und legen sich hin.«
Paula warf einen kurzen Blick an Marienetta vorbei in die Halle und entdeckte dort Sophie, die gleich neben dem Eingang saß. Sie trug einen dicken Mantel und sah sie mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck an. Ein seltsames, selbstzufriedenes Lächeln umspielte ihre Lippen, als hätte sie soeben etwas Großes zustande gebracht.
»Geht es Ihnen nicht gut, Paula?«, fragte sie.
»Es geht schon, danke. Aber Sie scheinen mir einen höchst zufriedenen Eindruck zu machen.«
»Ja, manchmal ist sogar unsere Sophie mit sich und der Welt zufrieden«, bemerkte Marienetta voller Ironie.
»Marienetta hält sich ja für so gescheit«, höhnte Sophie.
»Das reicht jetzt«, erwiderte Marienetta.
»Marienetta - die Königin von ACTIL«, fuhr Sophie unbeirrt fort und stand auf. »Eigentlich wollte sie ja Schauspielerin werden«, lästerte sie. »Sie war sogar schon mal an einem Theater in der Provinz, aber der Regisseur hat sie hinausgeworfen und ihr erklärt, sie soll sich lieber irgendwo als Tippse bewerben.«
Marienetta drehte sich um und ging mit ruhigen Schritten auf ihre Kusine zu. Dann holte sie mit der rechten Hand aus und gab Sophie eine schallende Ohrfeige, die sie fast umgeworfen hätte.
»Die hätte ihr um ein
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