Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
mitansehen musste. »Wie heißt das Wort? Verführt?«
Hauptmann Huntley sah immer noch aus, als wollte er einen brutalen Mord begehen. »Erzähl mir, was passiert ist«, befahl er.
Batu überzeugte sich mit einem Blick davon, dass Thalia noch nicht zurückkam. Als er feststellte, dass er mit dem Engländer allein war, räusperte er sich und erklärte: »Vor drei Jahren ist ihr Vater einem jungen Russen begegnet, der mongolische Pflanzen erforschte. Der gut aussehende und wortgewandte Russe wurde bald ein guter Freund von Franklin Guai und Thalia Guai . Als sich abzeichnete, dass der Russe Thalia Guai den Hof machte, freuten sie und ihr Vater sich darüber sehr. Der Russe hat sie genauso angesehen wie Sie, und sie hat seinen Blick erwidert. Sie schienen sehr verliebt zu sein.« Batu zögerte, als der Ausdruck auf dem Gesicht des Hauptmanns sich noch mehr verhärtete. Würde der Hauptmann ihm den Hals umdrehen?
»Erzähl weiter«, knurrte der Engländer.
»Der Russe hat nie davon gesprochen, dass er Thalia Guai zur Frau nehmen wollte, und Franklin Guai wurde misstrauisch. Schließlich haben wir die Wahrheit erfahren.«
»Wie?«
»Als Thalia Guai und ich mit dem Russen zusammen über den Markt gingen«, erklärte Batu, »sind wir einem alten Freund des Russen aus dessen Heimat begegnet. Der Russe hat zunächst versucht, dem Freund auszuweichen, doch ohne Erfolg.«
»Der Freund brachte Neuigkeiten von zu Hause«, riet der Hauptmann.
»Ja, einschließlich Neuigkeiten von der Ehefrau des Russen.«
Der Hauptmann stieß noch mehr wütende Worte aus, die Muskeln in seinem Nacken vibrierten vor Wut. »Er war schon verheiratet.«
»Er hatte in Moskau eine Frau und zwei kleine Kinder, einen Jungen und ein Mädchen.« Batu zitterte beinahe vor Wut, als er daran dachte, wie Thalia wochenlang gelitten hatte, nachdem die Wahrheit ans Licht gekommen war. Aber sie hatte nicht geweint, genau wie damals, als sie als kleines Mädchen um ihre Mutter getrauert hatte. Stattdessen zeigte sie einen seltsam leeren Blick, als wäre sie Staub, der über die Weite der südlichen Wüste getrieben würde. Vater und Diener hatten sich sehr um sie gesorgt.
»Franklin Guai hat den Russen halb tot geprügelt, und der elende Feigling hat sich zurück zu seiner Familie geschlichen. Wir haben nie wieder von ihm gehört. Hoffentlich ist er an seinen Verletzungen verreckt.« Batu bebte leicht. Mongolen waren extrem abergläubisch, was die Erwähnung von Gewalt und Tod anging, doch bei diesem elenden Russen konnte er sich nicht beherrschen.
Der Hauptmann biss die Zähne zusammen, ballte die Hände zu Fäusten und schwieg eine Weile. Er legte den Kopf auf eine Seite, als lauschte er auf etwas, aber Batu sah nur Bäume und Wasser.
»Das werde ich ihr nicht antun, Batu«, erklärte der Hauptmann langsam.
»Sie sind ein guter Mensch, Hauptmann«, erwiderte Batu, »und ich verdanke Ihnen mein Leben. Aber wenn wir unsere Aufgabe erledigt haben, werden Sie nach England zurückkehren. Und wenn Sie Thalia Guai verführen und sie dann verlassen, sind Sie nirgends mehr sicher. Nicht in England. Nirgendwo. Franklin Guai und ich werden Sie finden, und Sie werden sich wünschen, dass Ihre Mutter Sie nie geboren hätte.«
»Und was will Thalia ? Bedeutet das gar nichts?«
»Thalia will Sie.« Der Hauptmann blinzelte überrascht über diese direkte und schlichte Aussage. »Aber man hat sie schon einmal verletzt. Mein Vieh lasse ich auch nicht zu lange grasen, nur weil es das will. Wenn es zu viel frisst, wird es krank.«
»Ach, sie ist also eine verdammte Kuh«, brummte der Hauptmann.
»Sie wissen genau, was ich meine.« Der Engländer nickte knapp und widersprach nicht. Er war ein starker Krieger, doch das schützte ihn nicht vor dem Zorn von Franklin Burgess oder Batu. Wenn es je dazu kam, würden auch die anderen Klingen der Rose auf Rache sinnen. Und das wusste der Hauptmann.
Als sie hörten, dass Thalia zurückkam, drehten sie sich beide um. Sie lächelte sie strahlend an, und Batu war erleichtert. Sie hatte nicht gehört, was sie besprochen hatten. Dann teilten sie ein stilles Mittagsmahl. Als sie sicher waren, dass die Pferde sich genügend ausgeruht hatten, stiegen sie auf und ritten in Richtung des fernen Blumenfeldes. Mit den erholten Pferden sollten sie das Gebiet bei Anbruch der Nacht erreichen.
Batu blickte zu Thalia hinüber, die neben ihm ritt. »Wieso hast du ihm das erzählt?«, fragte sie mit eisiger Stimme auf Mongolisch. So klang sie
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