Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)
die Mädchen, mit denen seine Kameraden ihre Zeit verbrachten. Diese zarten Geschöpfe, die dazu erzogen waren, ihnen brav und folgsam zu dienen. Wie hatte er überhaupt in Erwägung ziehen können, ein solches Mädchen zur Braut zu nehmen?
Batu übersetzte Thalias Antwort, damit Gabriel der Unterhaltung folgen konnte. »Es ist uns eine Ehre«, erwiderte sie, aber der Anführer winkte ab. Eine Frau, die Gabriel für die Frau des Anführers hielt, trat mit gesenktem Blick vor. Sie reichte Gabriel eine Schale mit dampfendem Tee. Er nahm sie entgegen, nippte daran und reichte sie ihr zurück. Die gleiche Geste der Gastfreundschaft gewährte sie Thalia und Batu, bevor sie leise auf die Seite der Frauen zurückkehrte .
Gabriel brannte darauf, nach den Blumen zu fragen, doch ihm war klar, dass sie die Höflichkeitsrituale einhalten mussten. Auch wenn er am liebsten aufgesprungen und hinausgerannt wäre. Es war seltsam, sich wieder in einem geschlossenen Raum aufzuhalten, nachdem sie die ganze Zeit draußen gelebt und geschlafen hatten. Lediglich das Kloster von Erdene Zuu hatte eine kleine Unterbrechung dargestellt. Hier in diesem Zelt nahm Gabriel Thalias Nähe und ihre reizende Weiblichkeit überdeutlich wahr. Der Klang ihrer durch die Filzwände des Gers gedämpften Stimme berührte ihn tief in seinem Inneren und hinterließ ein warmes Gefühl.
» Uns ist es eine Ehre, dass ihr uns in unserem bescheidenen Ail besucht«, sagte der Anführer. »Was mir gehört, soll auch dir gehören, Schwester.« Ein kleiner Junge tappte auf den Anführer zu, der ihn großzügig gewähren ließ, als der Kleine mit den Verschlüssen seines Del spielte. »Seid ihr wegen unseres Nadaam gekommen?«
»Verzeihen Sie, aber finden die Nadaam -Feiern nicht im Juli statt?«, fragte Thalia. Sie übersetzte die Frage für Gabriel.
»Ja, aber unser Stamm pflegt eine besondere Sitte. Jedes Jahr im Herbst kommen die stärksten und mutigsten Männer aus den benachbarten Ails zusammen und wetteifern um eine besondere Ehre.«
»Was ist das für eine Ehre?«, fragte sie erst auf Mongolisch, dann auf Englisch.
Der Anführer, von dem Batu ihm erklärte, dass er Bold hieß, rief seine Frau. Die Frau mit Namen Oyuun verließ augenblicklich das Zelt. »Ich zeige es euch. Es dauert nur einen Augenblick.«
»Solange wir warten«, warf Thalia ein, »muss ich die Blumen bewundern, die Euer Ail umgeben. So etwas habe ich noch nie gesehen.«
Bold grinste. »Ich bin so an sie gewöhnt, dass ich sie überhaupt nicht mehr wahrnehme. Erst als ich schon fast ein Mann war, habe ich begriffen, dass nicht um jedes Ail ein Feld mit dunkelroten Blumen das ganze Jahr hindurch blüht. Sie folgen uns, sobald wir weiterziehen, wohin wir auch gehen.«
»Wisst ihr, was ihr Wachstum bewirkt?«
Der Anführer zuckte mit den Schultern. »Das ist nicht bekannt. Selbst bei starkem Frost ernähren sie unser Vieh. Wir wollen deshalb nicht zu sehr an ihr Geheimnis rühren. Die buddhistischen Priester wissen es nicht, und die Schamanen dürfen es nicht sagen. Vielleicht hat es etwas mit dem Rubin zu tun.«
Als Batu das Wort »Rubin« übersetzte, horchte Gabriel auf. Thalia und er tauschten einen Blick.
»Hier«, sagte Bold, als Oyuun, gefolgt von einem strammen jungen Burschen, in das Ger zurückkehrte. Gabriel maß den Mann mit seinen Blicken und erkannte sofort, dass er ein beeindruckender Kämpfer war. Und eine noch bessere Wache. In seinen Händen hielt der Mann eine mit aufwendigen Schnitzereien versehene kleine Kiste aus rotem Holz. Auf ein Zeichen von Bold öffnete der Mann die Kiste. Als er den Inhalt sah, musste Gabriel seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht vor Überraschung zu fluchen.
»Das ist der Ruhm unseres Stammes und unser Preis«, verkündete Bold mit stolzer Stimme, und Batu versuchte das Gefühl in seiner Übersetzung entsprechend zum Ausdruck zu bringen. Der Anführer hob den Blick zu dem Mann, der die Kiste hielt, als bäte er ihn um Erlaubnis. Seltsam. Schließlich hatte Bold in dem Stamm eindeutig das Sagen. Als der andere nickte, griff Bold in die Kiste, holte den Gegenstand heraus und hielt ihn ans Licht.
Gabriel spürte Thalias Hand auf seinem Arm, als müsse auch sie sich beherrschen. Als er kurz zu ihr hinüberblickte, sah er, dass ihre Wangen gerötet und ihre Augen vor Erstaunen geweitet waren. Obwohl er sich bemühte, ruhig zu bleiben, hatte er vermutlich den gleichen Gesichtsausdruck. Manchmal stieß die Ausbildung eines Soldaten an
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