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Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition)

Titel: Die Klingen der Rose: Jenseits des Horizonts (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoe Archer
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nicht mehr viel Zeit.
    Als sie sich auf den Weg zur Tür machte, fiel ihr der Handspiegel ihrer Mutter ein, den sie nach ihrem Tod geerbt hatte. Sie bewahrte ihn zusammen mit anderen Erinnerungsstücken in einer Schmuckschachtel auf. Thalia holte ihn heraus und betrachtete kritisch ihr Spiegelbild. Die Engländerinnen steckten sich die Haare hoch. Also nahm Thalia ihre schweren dunklen Haare und band sie hastig zu einem Knoten, der sich jedoch umgehend wieder auflöste. In der Schachtel fand sie ein paar Klammern, mit denen sie die Haare einigermaßen bändigen konnte. Sie besaß keine Kosmetika, um ihre verräterisch geröteten Wangen oder das Strahlen in ihren jadegrünen Augen zu kaschieren; beides war ein Resultat der vielen Ritte unter dem weiten mongolischen Himmel. Ihr fiel ein, dass Engländer blasse zarte Frauen bevorzugten. Thalia war weder das eine noch das andere.
    Was spielte das für eine Rolle? Sie wollte sich nur davon überzeugen, dass der neugierige Fremde kein Erbe war, oder jemand anders, der ihr und ihrem Vater schaden konnte. Zum Henker mit der Mode.
    Thalia lief zurück zum Ger ihres Vaters und fluchte, weil das enge Kleid sie in die Seiten kniff. Batu, ihr anderer Diener, folgte ihr und machte beim Anblick ihres Kleides Erstickungsgeräusche. Sie bedachte ihn mit einem überaus finsteren Blick, bei dem weniger mutige Männer die Flucht ergriffen hätten. Aber Batu kannte sie seit ihrer Kindheit und kicherte in sich hinein, während er sich anschickte, die überall im Ger verstreuten Bücher wegzuräumen.
    Als Franklin sie sah, hob er die Brauen.
    »Du siehst … «
    »… lustig aus«, beendete Thalia den Satz an seiner Stelle.
    »Nun, ja«, gab ihr Vater zu. »Ich wollte aber auch ›reizend‹ sagen.«
    Thalia trat vor eine der bemalten Kisten, holte den selten benutzten Revolver ihres Vaters heraus und prüfte, ob er geladen war. »Beides zusammen ist schlecht möglich.«
    Bevor ihr Vater etwas erwidern konnte, klopfte es an der Holztür des Zeltes. Ihr Vater rief: »Herein«, und die Tür schwang auf.
    Thalia versteckte die Hand mit dem Revolver hinter ihrem Rücken und stand angespannt neben dem Sessel ihres Vaters. Sie fragte sich, was für ein Mann über die Schwelle treten würde. Musste sie zum ersten Mal in ihrem Leben mit einer Waffe auf einen Menschen schießen?
    Der Mann duckte sich unter der Tür hindurch und setzte sogleich den Hut ab, unter dem kurz geschnittene weizenblonde Haare zum Vorschein kamen. Er war nicht wirklich gut aussehend, doch er strahlte Selbstsicherheit und Autorität aus, was ihm durchaus zum Vorteil gereichte. Das Gesicht schmal und zerfurcht, die Gesichtszüge markant; er wirkte alles andere als vornehm oder elegant, überhaupt nicht salonfähig. Die sorgfältige Rasur betonte seine harten Gesichtszüge. Er wirkte nicht wie ein Adeliger, sondern als hätte er für alles in seinem Leben hart gekämpft. Selbst in dem gedämpften Licht des Gers erkannte Thalia den intelligenten Ausdruck in seinen golden schimmernden Augen, denen nichts zu entgehen schien. Er blickte sich im Zelt um und wandte sich schließlich an Thalia und ihren Vater.
    »Franklin Burgess?«, fragte er.
    »Ja, Sir«, antwortete ihr Vater wachsam. »Meine Tochter Thalia.«
    Als sie den durchdringenden Blick des Fremden auf sich spürte, deutete sie einen Knicks an. Überraschenderweise errötete sie.
    »Und Sie sind … ?«, drängte ihr Vater.
    »Hauptmann Gabriel Huntley«, lautete die Antwort. Gewissermaßen passte der Offiziersrang zu seinem sicheren Auftreten. »Vom dreiunddreißigsten Regiment.« Thalia wusste nicht, ob sie sich schon entspannen konnte, denn Erben fanden sich bekanntermaßen auch in den Reihen des Militärs. Sie musterte kurz die breiten Schultern des Hauptmanns und stellte fest, dass er selbst dann gefährlich wirkte, wenn er ganz ruhig dastand. Hauptmann Huntley wäre eine Bereicherung für die Erben.
    Er hatte etwas Magisches an sich, etwas, das die Luft im Ger elektrisierte und ihre Aufmerksamkeit fesselte. Sein markantes Gesicht, sein muskulöser Körper, die Art, wie er sein Gepäck trug – alles an ihm wirkte unglaublich männlich. Wie schrecklich wäre es, wenn der erste Mann, der seit Jahren ihr Interesse erregte, sich als Feind entpuppte. Ihr ehemaliger Verehrer Sergej gehörte jetzt zu ihren Feinden, allerdings auf andere Art.
    »Sie tragen keine Uniform, Hauptmann Huntley«, stellte ihr Vater fest.
    Zum ersten Mal seit seinem Eintreten ließ die Anspannung

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