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Die Klinik

Die Klinik

Titel: Die Klinik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Noah Gordon
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Zwei Tage später, als sie Adam in die Beacon Street führte, hatte sie den Vorfall vor Aufregung vergessen.
    »Wohin führst du mich?« fragte er sie.
    »Du wirst schon sehen.«
    Die vergoldete Kuppel des State Hause glühte in der Morgensonne wie der brennende Dornbusch, verbreitete jedoch keine Wärme. Nach einer Weile nahm sie sein Hand in ihren Fäustling und führte ihn aus dem windigen Bostoner Common in die verhältnismäßig geschützte Joy Street.
    »Wie weit noch?« sagte er, und sein Atem blies Frostwolken.
    »Du wirst schon sehen«, sagte sie wieder.
    Sie trug eine rote Skijacke und blaue Stretchhosen, die sich an das schmiegten, was er am Vorabend streichelnd als das reizendste Glutealgebiet bezeichnet hatte, das er je auf einem Operationstisch oder außerhalb davon gesehen hatte; und eine blaue Wollmütze mit einer weißen Quaste, an der er zupfte, als sie auf halbem Weg den Beacon Hill heruntergekommen waren, damit sie stehenbliebe.
    »Ich rühre mich nicht von der Stelle. Keinen Schritt, bevor du mir nicht sagst, wohin wir gehen.«
    »Bitte, Adam. Wir sind fast da.«
    »Schwöre einen Sex-Eid.«
    »Auf dein Ding.«
    Sie gingen durch die Phillips Street bis zur Mitte des nächsten Häuserblocks und blieben vor einem vierstöckigen Wohnhaus mit zersprungenen Stuckwänden stehen.
    »Vorsicht, Stufen«, sagte sie und deutete auf den Eingang, der sehr tief lag.
    »Selbstmörderisch«, murmelte er. Die Betonstufen waren mit sechs Zentimeter dickem, zerkratztem Eis bedeckt, über das sie sich vorsichtig bewegten. Unten nahm sie einen Schlüssel aus der Tasche und sperrte auf.
    Das einzige Fenster ließ nur wenig Licht in das Zimmer.
    »Warte einen Augenblick«, sagte sie hastig und drehte alle drei Lampen auf.
    Es war ein Atelierraum. Die Tapete war mit einem Braun gestrichen, das für die geringe Beleuchtung zu dunkel war. Der Boden bestand aus ziegelfarbenen, stellenweise zersprungenen Asphaltplatten, von einer Staubschicht bedeckt. Eine ziemlich neue Couch stand da, die zweifellos in ein Bett verwandelt werden konnte, ein dickgepolsterter, mit verblichenem Damast bezogener Sessel und ein zweiter, der aus einer Garnitur geflochtener Verandamöbel stammte.
    Sie zog ihre Fäustlinge aus und knabberte am Daumenknöchel, was sie immer tat, wenn sie sich in gespannter Erregung befand. »Nun, was meinst du?«
    Er zog ihr die Hand vom Mund. »Was meine ich wozu?«
    »Ich habe der Hausfrau gesagt, daß ich sie bis zehn Uhr wissen lasse, ob ich es miete.«
    »Es ist ein Keller.«
    »Ein Kellergeschoß.«
    »Selbst der Boden ist schmutzig.«
    »Ich werde ihn schrubben und wachsen, bis er glänzt.«
    »Gaby, ist das dein Ernst? Es ist nicht so hübsch wie deine Wohnung in Cambridge. Bei weitem nicht.«
    »Außer diesem Wohnschlafzimmer gibt es noch ein Badezimmer und eine Kochnische. Schau einmal.«
    »Du kannst mir nicht erzählen, daß es Susan Haskell hier besser gefallen wird als in der anderen Wohnung.«
    »Susan Haskell wird nicht hier wohnen.« Er überlegte einen Augenblick. »Nein?«
    »Wir werden hier wohnen. Du und ich.«
    Sie standen da und sahen einander an. »Es kostet fünfundsiebzig Dollar monatlich. Ich glaube, es ist ein gutes Geschäft, Adam«, sagte sie.
    »Oh, wirklich«, sagte er. »Stimmt.« Er legte die Arme um sie.
    »Gaby, bist du überzeugt, daß du das tatsächlich willst?«
    »Fest überzeugt. Außer du willst es nicht.«
    »Ich werde die Wände streichen«, sagte er nach einer Pause.
    »Sie sind häßlich, aber die Wohnung ist phantastisch gelegen. Die Hochbahnstation ist nur ein paar Häuserblocks entfernt«, sagte sie. »Ebenso das Gefängnis in der Charles Street. Und die Hausfrau sagte mir, daß man von hier nur drei Minuten zu der Wohnung in der Bowdon Street braucht, wo Jack Kennedy wohnte.«
    Er küßte sie auf die Wange und entdeckte, daß sie naß war. »Wie bequem«, sagte er.
     
    Er hatte sehr wenig einzupacken. Er nahm seine Sachen aus der Kommode und steckte sie in die Reisetasche. Im Schrank hingen nur wenige Kleidungsstücke und lagen einige Bücher, die er in einen braunen Papiersack steckte, damit war die Sache erledigt. Das Zimmer sah genauso aus wie an dem Abend, als er eingezogen war. Nichts blieb von ihm in dieser kleinen Zelle zurück.
    Spurgeon hatte Dienst in der Abteilung, und daher war niemand im sechsten Stock, von dem man sich verabschieden konnte.
    Sie fuhren zu der Wohnung in Cambridge, und Susan Haskell half Gaby, ihre Sachen zu verpacken, während er den

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