Die Klinik
Kellergeschoß folgte.
»Mein Gott!«
Er sprang aus dem Bett. »Wo hast du meine Arzttasche hingetan?«
»In den Schrank.«
Sie lief, reichte sie ihm, er fuhr mit den bloßen Füßen in die Schuhe, mit den Armen in seinen Bademantel und stürzte hinaus.
Es war sehr kalt, und er konnte nichts sehen. Irgendwo oben kreischte die Frau wieder. Er stürzte die Haupttreppe hinauf, die in die oberen Stockwerke führte, und als er in die Halle kam, öffnete sich die Tür der Wohnung Nr. 1 und eine Frau schaute heraus.
»Ja?«
»Wir haben etwas gehört. Wissen Sie, was das war?«
»Ich habe nichts gehört. Wer sind Sie?«
»Ich bin Dr. Silverstone. Wir sind eben eingezogen. Unten.«
»Oh, ich freue mich, Sie kennenzulernen.« Die Tür öffnete sich weiter und enthüllte einen kleinen untersetzten Körper, angegrautes Haar, ein rundes schlaffes Gesicht mit einem leichten Bartanflug auf der Oberlippe. »Ich bin Mrs. Walters. Die Hausfrau. Ihre Gattin ist eine reizende kleine Frau.«
»Danke«, sagte er; die Frau oben kreischte wieder.
»Das«, sagte er.
»Oh, das ist nur Bertha Krol«, sagte die Frau.
»Oh. Bertha Krol.«
»Ja. Lassen Sie sich nicht durch sie stören. Sie hört von selbst wieder auf.« Sie sah ihn an, wie er, bloßfüßig in den Schuhen, in dem aufgekrempelten Pyjama und in dem alten Bademantel dastand, die Arzttasche in der Hand, und ihre Schultern begannen zu zucken.
»Gute Nacht«, sagte er steif.
Als er die erste Treppenflucht der Vorderstiege hinunterging, plumpste etwas nach unten, und mit einem dumpfen Schlag zerplatzte der zweite Sack mit Müll mitten auf der Straße. Verblüfft sah er nun im Licht der Straßenlampe den unsauberen Inhalt des ersten Sacks, den sie vor wenigen Minuten auf die Straße hatten fallen gehört. Er blickte rechtzeitig hoch, um oben im Fenster einen Kopf zurückzucken zu sehen.
»Das ist ja fürchterlich!« rief er. »Hören Sie auf damit, Bertha Krol!«
Etwas pfiff an seinem Kopf vorbei und klirrte auf die Stufen.
Eine Bierdose.
Drinnen saß Gaby verängstigt im Sessel. »Was war es?« fragte sie.
»Nur Bertha Krol. Die Hausfrau sagt, sie hört von selbst wieder auf.«
Er stellte die Arzttasche in den Wandschrank zurück, löschte die Lichter aus, warf den Bademantel ab, stieg aus den Schuhen, und sie gingen wieder zu Bett.
»Adam?«
»Was?«
»Ich bin erschöpft«, sagte sie mit einer kleinen Stimme.
»Ich auch«, sagte er erleichtert. »Außerdem steif und wund.«
»Morgen hole ich irgendein Einreibmittel und reibe dich ein«, sagte sie.
»Mmmm. Gute Nacht, Gaby.«
»Gute Nacht, Adam-Liebling.«
Oben heulte die Frau. Draußen klapperte wieder eine Dose auf das eisige Pflaster. Neben ihm fröstelte sie leicht, und er drehte sich herum und legte seinen Arm um ihre Schultern.
Nach einer Weile spürte er, wie es sie unter seinem Arm genauso schüttelte, wie es die Hausfrau geschüttelt hatte, er konnte jedoch nicht sagen, ob vor Kummer oder Heiterkeit.
»Was ist denn los?« fragte er sanft.
»Ich bin so entsetzlich müde. Und ich denke ständig, so also ist das, wenn man ein gefallenes Mädchen ist.«
Er lachte mit ihr, obwohl es ihm an allen möglichen Stellen wehtat.
Ein kleiner kalter Fuß fand seinen Weg in seinen Spann. Oben jammerte die Frau – betrunken oder geistesgestört?
nicht mehr. Gelegentlich fuhr draußen ein Wagen vorbei, das Eis und Mrs. Krols Mist zermalmend, und ließ kurz aufflammende Schattenbilder über die Wand flitzen. Ihre Hand kam und fiel leicht und warm auf seinen Schenkel. Sie schlief, und er entdeckte, daß sie schnarchte, fand jedoch, daß das leise, rhythmische Zischen musikalisch und anziehend war, Gurren von Tauben in uralten Ulmen und Summen zahlloser Bienen. Ein Geräusch, das er bereits sehr lieb hatte.
Am Morgen wachten sie früh auf, und trotz großer Muskel und Knochenschmerzen liebten sie einander voll Entzücken unter der Schicht dicker Decken in dem stillen, kalten Zimmer, und weil es in den Küchenschränken noch nichts zu essen gab, zogen sie sich an und gingen den Berg hinunter, der in der Nacht von weichem, weißem Schnee bedeckt worden war, und frühstückten ausgiebig in einer Cafeteria in der Charles Street.
Sie ging mit ihm zur Hochbahnstation, küßte ihn zum Abschied für die nächsten sechsunddreißig Stunden, und sie konnten ihre Freude einander vom Gesicht ablesen; aber keiner von ihnen versuchte, es in Worte zu fassen, vielleicht aus Angst es dadurch zu zerstören.
Sie ging zum
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