Die Kluft: Roman (German Edition)
daran gedacht, dass dies ein guter Platz wäre, um ein Haus zu bauen. Ja, wir besitzen ein schönes Haus auf dem Gut, doch ich stelle mir gern ein noch schöneres vor. Wir gingen ein wenig herum und überlegten, ob dieser Platz vielleicht besser wäre als jener – mehr wurde darüber gar nicht gesagt. Und heute erschien Julia ohne Vorwarnung im Stadthaus und sagte, sie habe wichtige Neuigkeiten. Ich sah ihr an, dass uns besser niemand zuhören sollte, doch Lolla war nebenan und putzte. Ich hakte Julia unter und führte sie hinaus in den Hof, wo sie sagte: »Es ist ernst, wo können wir miteinander reden?« Wir wussten, dass Lolla versuchen würde, uns zu belauschen, und an der Wand saß ein alter Sklave. Also ging ich mit ihr zum Feigenbaum, wo niemand zu sehen war.
»Das darfst du nicht, mein Lieber, alle reden über dein neues Haus, schon der Gedanke daran ist einfach Wahnsinn.« Während ich meine schöne Frau bewunderte, fiel mir auf, dass ich sie noch nie so gebieterisch, so harsch erlebt hatte. Julia ist immer charmant und hält nichts von Gezeter. »Aber Julia, wie können ›alle‹ davon reden? Ich weiß ja selbst kaum davon – ich habe nur Felix gegenüber die Möglichkeit erwähnt, weiter nichts.« Sie stand da, und ihr Blick wanderte prüfend über mein Gesicht. Sie war verwirrt, ohne allerdings an mir zu zweifeln. Ich war schon im Begriff, das ganze Gerücht einfach abzutun, doch dann rief ich: »Moment, ja, ich verstehe.«
Mein Vater hat zwei seiner Lieblingssklaven freigelassen. Einer verkauft Kutteln in der Nähe der Docks und der andere Fleischpasteten nicht weit vom Gladiatorenviertel. Beide sind mit unseren Sklaven befreundet. Felix musste ein paar Tage zuvor in unser Stadthaus gekommen sein und erzählt haben, dass der Herr daran denke, ein neues Haus zu bauen. Auf diese Weise – und so schnell – hatte sich offenbar das Gerücht verbreitet, sodass es inzwischen hieß: »Wir wissen alle davon, und glaub mir, das ist diesmal nicht besonders weise von dir.« Julias Kosename für mich ist Weiser Vater, seit dem Tag, an dem sie zu mir gekommen ist.
Ich erzählte ihr, worauf das Gerücht beruhe und wie fadenscheinig es sei und dass ich gar nicht vorhatte, dieses berühmte Haus zu bauen, dass es nur eine Laune gewesen war.
»Eine Laune«, rief sie und sah sich um, ob inzwischen jemand in den Hof gekommen war. Dann trat sie dichter an mich heran und umschlang mich – die Geste einer Ehefrau, zu der es jedoch so selten kam, dass sie bei jedem Sklaven, der uns zusah, Verdacht erregen musste. Julia flüsterte mir leise ins Ohr: »Hör zu, hast du es vergessen? Du bist ein richtiger alter Träumer geworden, vielleicht hast du es einfach nicht begriffen.« Und dann fing sie an, mir die Namen von Prominenten zuzuflüstern, deren Häuser, Güter, Herden, Silber- oder Goldgeschirr von unserem derzeitigen Tyrannen beschlagnahmt worden waren. »Willst du wirklich dieses Haus an Nero verlieren?«, sagte sie und senkte ihre ohnehin leise Stimme, bis sie nur noch ein Hauch war. »Nero ist schlimm und wird jeden Tag schlimmer. Wenn du anfängst, dir ein schönes neues Haus zu bauen, ist das wie eine Einladung an ihn, es dir wegzunehmen. Willst du mir erzählen, dass dir das noch nie in deinen albernen alten Kopf gekommen ist?« Dann ließ sie mich los, fing an, meine Toga zu richten und holte schließlich irgendwo aus ihrem Gewand einen silbernen Kamm hervor, um mein Haar zu ordnen. Es war lange her, dass ich meiner Frau aus solcher Nähe ins Gesicht gesehen hatte. Ich wollte wissen, ob sich das schnelle, ausschweifende Leben bereits auf ihren hübschen Zügen zeigte. Um die Augen waren ein paar Müdigkeitsfalten zu sehen, aber nicht mehr. »Als ich sie gestern Abend alle reden hörte, wusste ich, ich muss zu dir kommen und dich warnen«, sagte sie ganz leise.
Wen meinte sie wohl mit »sie«?, fragte ich mich, doch ich hatte eine ziemlich klare Vorstellung davon. »Bist du auch vorsichtig, Julia?«, flüsterte ich.
Sie nickte und lächelte: »Danke.« – »Manchmal bist du wirklich ein alberner alter Kerl«, flüsterte sie und schüttelte mich sogar ein wenig.
»Aber Julia«, flüsterte ich, »dieses Haus existiert doch nur in meinem Kopf.«
»Am besten erzählst du Lolla, dass du dir überlegt hast, dieses Haus zu bauen, aber Felix meint, dass die Quelle im Sommer zu wenig Wasser hat. Nein, warte, noch besser sagst du, du hättest nicht genügend Geld, um sofort zu bauen, und würdest vielleicht
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