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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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wenn ich mich frage, was sie sich darunter vorstellten. Eine Insel oder ein Landstrich verweist auf andere Inseln und Landstriche, und wir werden sehen, dass sich Horsa bald auf die Suche nach anderen Küstenstrichen und vielleicht sogar nach anderen Menschen begab.
    Noch einmal: Was meinte sie mit »wir«? Auf jeden Fall legt es nahe, dass das Bewusstsein einer Bedrohung oder mehrerer Bedrohungen bestand.
    Diese Frage stellte sich auch Horsa, und Aufzeichnungen besagen, dass er darüber nachdachte. Es gab ziemlich viel, worüber er nachdenken musste: Mindestens zwei seiner jungen Männer waren den Ausdünstungen der Felsspalte, der Kluft, erlegen und in die Tiefe gestürzt. Mehrere kleine Jungen waren im Fluss ertrunken. Dass er in den Wald ging, war nicht nur eine Sicherheitsmaßnahme, sondern auch eine Flucht vor Maronnas unausgesetzter Kritik.
    Horsa war ein junger Mann mit bemerkenswerten Fähigkeiten, und in diesem Teil der Geschichte steht sein Name im Vordergrund. Es gab ein Sternbild namens Horsa, und wenn man sich vorstellt, wie Namen zustande gekommen sind, kann man bei manchen vielleicht einen Wolf knurren oder einen Bären brummen hören. Das Tier, das zu Horsa gehörte, war der Hirsch, und so könnte man darüber spekulieren, dass aus dem Bellen eines Hirschs der Name Horsa entstand, der Name des berühmten Jägers.
    Als die Frauen wie gewöhnlich in das Tal kamen, waren die Männer fort. Die Asche des großen Feuers war erkaltet. Kein Adler saß mehr wie ein Schutzgott an seinem Platz, und die Tiere hatten Fischstücke und Knochen verstreut.
    Während sie noch bestürzt, verzweifelt dastanden oder herumgingen, kam schließlich ein Adler herabgeschwebt, der sich an seinem Platz niederließ. »Wo sind sie nur? Verstehst du denn nicht? Wir müssen sie finden.« Der Vogel schien ihnen nichts Böses zu wollen, machte aber keine Anstalten, ihnen zu zeigen, wohin die Männer gegangen waren, und bald stieg er auf und flog gemächlich zu seinem Horst auf dem Gipfel des Berges zurück.
    Die Frauen beschlossen, nach den Männern zu suchen, die höchstwahrscheinlich nicht weit weg irgendwo an der Küste waren. Sie hielten es für unwahrscheinlich, dass sich die Jungen ins Landesinnere begeben hatten – eine Ansicht, die jedoch ihren eigenen Vorlieben entsprang, denen der Frauen. Aber es gab einen weiteren Grund, aus dem die Männer nicht weit sein konnten: Die kleinen Jungen, die im Tal lebten, waren mit ihnen gegangen, also mussten sie alle zwangsläufig noch in der Nähe sein. Die älteren weiblichen Wesen sagten, dass sie ein paar Tage am Flussufer warten würden, und sahen den jüngeren Frauen nach, als sie sich auf den Weg machten, um am Ufer nach Feuern zu suchen, nach Hinweisen darauf, dass sich die Männer in der Nähe aufhielten.
    Tatsächlich: Als sie von der Höhe der Klippen auf einen Strand hinunterblickten, sahen sie dort die Männer und die Jungen, und alle männlichen Wesen stießen beim Anblick der Frauen laute Willkommens- und Freudenschreie aus, in die sich jedoch noch etwas anderes mischte: War es Gespött? Ja, tatsächlich. Die Mädchen, die von diesem Zusammentreffen berichteten, erzählten auch, dass sie darüber verärgert waren und dass man die Frauen öfter mit Hohn begrüßte. Für mich – ein männliches Wesen aus sehr viel späterer Zeit – ist ziemlich eindeutig, was dort vorging. Die weiblichen Wesen wurden von den Jungen mit Klagen und Kritik in Verbindung gebracht – und als kleinen und hoffentlich nicht unangebrachten Zusatz zur Geschichte möchte ich anmerken, dass es immer ein wenig komisch ist, wenn aus Genörgel ohne besondere Vorwarnung die dringende Bitte um – nun ja, sobald die Frauen die Klippen hinuntergestiegen waren und den weißen Sand betreten hatten, kam es allseits zur Vereinigung und zu Begegnungen in der Brandung und anderswo. Die kleineren Jungen standen dabei und sahen zu und probierten vielleicht miteinander eigene Vorstellungen aus, wie man es manchmal bei Tieren sieht.
    Dies geschah am Tag, und gegen Abend kehrten auch die Jäger aus dem Wald mit ihren erlegten Tieren zurück, die sie zerteilten, und viele vereinigten sich.
    Die Frauen hatten die Männer rügen wollen, weil sie die Jungen mit auf diese Expedition genommen hatten, doch sie irrten sich in einer bestimmten Hinsicht. Einige Jungen waren zwar erst sechs oder sieben, aber alles andere als kleine Kinder, und man musste beim Rennen oder Klettern keine Rücksicht auf sie nehmen.
    Die

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