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Die Kluft: Roman (German Edition)

Die Kluft: Roman (German Edition)

Titel: Die Kluft: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Männern ausgebildet wurden, während des Nachts die Augen jener schrecklichen Feinde der Menschen im Licht der großen Feuer funkelten, die ständig unterhalten wurden, um die Tiere fernzuhalten. Haben wir jene Ewigkeiten vergessen, in denen jederzeit ein Tier aus dem Dickicht oder von einem Ast springen konnte? Wenn wir in der Arena schreien, hören wir Rache. Das denke ich jedenfalls, wenn ich mich in jene Menschen der Vorzeit hineinversetze, die wir Wilde nennen, in unseresgleichen, unsere Vorfahren – in uns selbst. Nur unsere Legionäre, die in den wildesten Teilen des Imperiums gekämpft haben, können sich ansatzweise vorstellen, was unsere Vorfahren empfanden, als sie sich vor langer Zeit in jene Wälder wagten.
     
    Nun eilte Maronna mit einigen Mädchen und kleinen Jungen weiter, bis sie an einem großen Strand die Männer sahen, die schon Feuer für den Abend entzündeten.
    Bei ihrer Ankunft schrien die Frauen die Männer an und machten ihnen Vorwürfe, und die Männer schrien zurück. Die Männer brüllten, dass nur Frauen so dumm sein konnten, kleine Jungen auf die Waldlichtung gehen zu lassen, wenn keine Männer da waren, um sie zu beschützen. Das war natürlich unaufrichtig, denn Horsa und alle anderen Männer kannten jene »Tradition«, nach der die Jungen den Frauen davonliefen. Horsa hätte sich ohne Weiteres denken können, dass die kleinen Jungen zu der Lichtung eilen würden, sobald sie erfuhren, dass Horsa aufbrechen wollte. Warum hatte Horsa nicht ein paar ältere Männer zurückgelassen, um die kleinen Jungen zu beschützen? In Wirklichkeit war Horsa erschüttert: Dass um sein Lager im Wald ständig Tiere schlichen, wusste er natürlich, schließlich jagten sie alle dort – doch dass die großen, kräftigen Schweine die Lichtung so rasch nach ihrem Aufbruch in Besitz genommen hatten, erschreckte ihn.
    Zwei kleine Jungen hatten sie mitgenommen und aufgefressen, und nun waren noch mehr kleine Jungen da, die sich ängstlich an die Frauen klammerten.
    Die Auseinandersetzung zog sich hin, während überall am Strand Flammen loderten und das Licht am Himmel allmählich schwand.
    Wir besitzen verschiedene Schilderungen dieser Szene, aus der Geschichtsschreibung der Frauen und aus der der Männer. Maronna wird als hochgewachsen und stark beschrieben, mit langem Haar, das sie geflochten und aufgesteckt trug. Daraus kann man schließen, dass sie größer wirken wollte.
    Wir wissen nicht, was »hochgewachsen« damals bedeutete. Vielleicht war Horsa, der große Jäger, ein kleiner, schlanker Mann und keineswegs groß und stark – ich denke, so müssen wir ihn uns vorstellen, vielleicht wie einen unserer Prätorianer.
    In all unseren Aufzeichnungen ist nur an dieser Stelle von Haaren die Rede. Es könnte sein, dass sie rote Haare hatten wie einige Gallierstämme. Vielleicht waren sie alle rothaarig oder blond. Das halte ich aber für unwahrscheinlich. Schwarze oder dunkle Haare und schwarze oder dunkle Augen – das ist am wahrscheinlichsten.
    Manchen Aufzeichnungen nach war Horsa wütend über sein eigenes Versäumnis, als er durch Maronnas Geschrei davon erfuhr. Er hatte keine Vorstellung davon gehabt, wie wenig vorausschauend er gewesen war. Also richtete er für sie und die anderen Frauen ein großes Festmahl aus, doch die Auseinandersetzung zog sich weiter hin.
    Maronna weinte, denn sie war wütend und enttäuscht und fühlte sich gedemütigt, und sie war müde: Es war ein ziemlich weiter Weg von der Küste der Frauen bis zu diesem Strand. Maronna sagte, sie werde nun nach Hause aufbrechen und die Mädchen mitnehmen. Die aber wollten offensichtlich nicht gehen, sondern lieber bei den Männern zu Gast sein, mit denen Maronna so heftig stritt. Zudem wurde ihr gerade klar, dass Horsa eine lange Expedition plante. Horsa sagte, keine der Frauen könne sich vor Anbruch des Morgens auf den Weg machen: Es sei zu gefährlich, das sehe Maronna doch sicher ein.
    Sie hingegen wollte, dass er gewisse Dinge einsah.
    Hast du daran gedacht, dass die Mädchen, die dich begleiten, bald schwanger sein werden und dass du dich um die Neugeborenen kümmern musst, wenn ihr nicht rechtzeitig zurück seid?
    Nein, daran hatte er offensichtlich nicht gedacht und war nun gezwungen, es zum ersten Mal zu tun.
    »Sind wir dir denn ganz gleichgültig, Horsa? Denkst du gar nicht an uns?«
    Da war er wieder, der Vorwurf, der Horsa tatsächlich quälte. Was sollte er nur davon halten? Sie sagte es ihm. »Du weißt, dass ohne

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