Die Knickerbocker Bande 045 - Der Mann ohne Gesicht
aus der Toilette und an ihren Freunden vorbei, die ihr gefolgt waren.
„Was ist denn?“, rief ihr Lilo nach, bekam aber keine Antwort.
Poppi lief durch die Gänge und suchte nach Mareike. Sie fand sie beim Bühnenaufgang, wo sie gerade noch ein Kostüm zurechtzupfte.
„Mareike, ich habe dir eine Nachricht auf einem Stück Toilettenpapier in die Tasche gesteckt. Hast du sie gefunden?“, fragte Poppi keuchend.
Die Frau sah sie verwundert an. „Nein, was wolltest du denn von mir?“
Um Poppi begann sich alles zu drehen. Wenn Mareike die Polizei nicht verständigt hatte, wer war dann an Lilo herangetreten?
Warum waren die Gauner verschwunden? Waren sie festgenommen worden? Oder hatten sie ihren Plan fallen lassen?
In der Garderobe berichtete Poppi ihren Freunden, was vorgefallen war. Axel, Dominik und Lilo bewunderten sie für ihren Einsatz, waren jedoch ratlos, was ihre Situation betraf.
Eines stand für Lilo fest: Es musste einer der drei Gauner gewesen sein, der Mareike die geheime Nachricht aus der Tasche gezogen hatte. Warum aber hatten sich die Gauner aus dem Staub gemacht?
„Schnell, auf die Bühne! Ihr werdet schon überall gesucht!“, rief Fräulein Linda und zerrte Poppi aus der Garderobe auf den Gang. Entsetzt stellte sie fest: „Mein Gott, Kinder, ihr seid ja käseweiß! Was ist denn mit euch los?“
Endlich stand die Wertung fest.
Die Kinder aus Italien hatten gesiegt. Die Knickerbocker Bande landete auf Platz zwei, was dem Saalpublikum gar nicht gefiel. Die Besucher der Veranstaltung hätten die Kinder aus Österreich lieber als Gewinner gesehen.
Die Rückfahrt zum Hausboot erlebten die Juniordetektive wie durch einen dicken Nebel. „Freut ihr euch denn gar nicht?“, fragte Annabel immer wieder.
„Doch, doch“, murmelten die vier, aber in Gedanken waren sie ganz woanders.
„Wir . wir müssen die Polizei informieren!“, beschloss Lieselotte nach reiflicher Überlegung.
Zwei Stunden später fühlten sie sich noch elender. Die Polizeibeamten hielten die Geschichte für eine pure Wichtigtuerei, die sich die Bande ausgedacht hatte, weil sie auf Platz 2 gelandet war.
Lilo musste sich schließlich eingestehen, dass sie keinen einzigen Beweis in der Hand hatten.
„Doch, es gibt einen Beweis: das Versteck im Kielraum des Fliegenden Holländers“, sagte Dominik.
Per Funk wurde ein Streifenwagen losgeschickt, dessen Besatzung sich schon bald meldete: Der Kapitän des Schiffes hielt ein solches Versteck für unmöglich. Der Kielraum war verschweißt.
Als die Polizisten gegangen waren, folgte eine Standpauke von Fräulein Linda. „Auch verlieren will gelernt sein“, erklärte sie mit erhobenem Zeigefinger.
„Die Gauner haben erkannt, dass eine Entführung viel zu auffällig und gefährlich ist. Und da wir keine Beweise haben und nicht einmal wissen, was sie eigentlich planen, haben sie die Aktion abgebrochen“, kombinierte Lieselotte.
Wer war nur der Mann gewesen, der sich ihr im Durchgang genähert hatte?
Die Freunde blieben in der kühlen Nachtluft auf dem Vorderdeck sitzen und starrten zum Himmel. Morgen ging es nach Hause zurück und sie waren froh darüber.
„Ich habe vergessen, euch etwas auszurichten!“ Fräulein Linda trug bereits ihr weißes Nachthemd und das Schlafhäubchen, als sie noch einmal an Deck erschien. „Eure Eltern gratulieren euch herzlich und ihr dürft als Belohnung noch drei Tage bleiben.“
„Aha!“, war der einzige Kommentar.
Die vier Freunde beschlossen, schlafen zu gehen. Sie waren total erschöpft und fühlten sich elend.
Was war mit dem Mann ohne Gesicht geschehen? Hatten sie sein Leben in Gefahr gebracht? So nahe waren sie daran gewesen, ein geplantes Verbrechen aufzudecken, und mit einem Schlag hatte sich der Fall in Luft aufgelöst.
Bald war auch das letzte Licht auf dem Hausboot erloschen.
Bei einem der Bäume zwischen Gehweg und Straße stand ein mittelgroßer Mann und zog seine schwarze Lederjacke enger um sich. Er hatte seit Tagen kaum etwas gegessen und nur wenige Stunden geschlafen.
Er kauerte sich neben dem Baum zu Boden und lehnte den Kopf an den Stamm. Sein rotblondes struppiges Haar war fett und ungepflegt.
Beinahe hätte er es endlich geschafft gehabt, und dann war wieder alles schief gegangen. Es lag vor allem daran, dass ihm der Mut fehlte. Er wartete immer auf den absolut sicheren Augenblick, aber den gab es wohl nicht.
Wahrscheinlich hatte er endgültig verspielt.
Ein bekanntes Gesicht
Beim Frühstück
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