Die Knickerbocker Bande 19 - Die Gruft des Barons Pizza
aufgetaucht. Weder sein Kopf noch sein Bein ragten aus der Röhre. Der Junge mußte feststecken!
Zettel Nummer zwei
Bruchteile von Sekunden waren Lieselotte, Axel und Poppi wie gelähmt. Zum Glück kam dann aber schnell wieder Leben in ihre Köpfe und Körper. „Raus aus dem Wasser! Holt Hilfe! Schaut, wie wir aus diesem Haus kommen!“ kommandierte Axel. Der Junge wartete nicht ab, was seine Kumpels zu diesem Befehl sagten, sondern ließ sich in die Tiefe des Wasserbeckens sinken und starrte in die Röhre hinein. Schwarz! Er konnte weder etwas sehen, noch etwas erkennen. Nun kam es auf jede Sekunde an. Der Junge versuchte, die Hand in seine Hosentasche zu schieben, um die Taschenlampe herauszuzerren. Soweit er sich erinnern konnte, war sie wasserdicht.
Der klatschnasse Stoff klebte und machte diese sonst einfache Aufgabe zur Schwerarbeit. Endlich konnte Axel die Lampe erwischen, sie in den Tunnel richten und anknipsen. Eine winzige Erleichterung machte sich in ihm breit, als sie aufleuchtete. Als er den Lichtstrahl in das Rohr lenkte, war der Hoffnungsschimmer allerdings sofort wieder erloschen. Er konnte nämlich auch weiterhin nichts sehen.
Axel sauste an die Wasseroberfläche, atmete mehrere Male tief durch und ließ sich wieder nach unten sinken. Kurzentschlossen schwamm er in den gemauerten Tunnel hinein und hoffte, auf Dominik zu stoßen. Sein Knickerbocker-Freund schien festzuhängen. Einen anderen Grund konnte er sich für sein Verschwinden nicht denken. „Bitte, bitte, bitte, laß ihn leben!“ flehte der Junge innerlich. Wie viele Sekunden, vielleicht sogar bereits Minuten, waren vergangen, seit Dominik keine Luft mehr bekommen hatte? War der Junge am Ende bereits... er... er... Axel schaffte es nicht, diesen Gedanken fertigzudenken.
Plötzlich spürte er aber ein heftiges Würgen in seinem Hals. Er hatte das Gefühl, im nächsten Augenblick ersticken zu müssen. Das Rohr schien sich immer mehr und mehr zu verengen, und bald würde er darin feststecken.
Umdrehen war darin unmöglich. Aber an ein Weiterschwimmen war überhaupt nicht zu denken. Axel stieß sich mit seinen Händen an den Tunnelwänden ab und schob sich rückwärts aus der Verbindung zwischen Zisterne und Wasserbecken im Innenhof.
Er raste an die Wasseroberfläche und zog gierig die Luft in seine Lungen. Als wären zehn hungrige Haie hinter ihm, schwang er sich über die Steineinfassung des Beckens und taumelte auf die nächste Tür zu. Er durchquerte eine düstere, lange Halle und gelangte durch eine weitere Tür auf die Straße. Blindlings stürmte er in die Richtung, wo er Sophias Wagen vermutete. Vor seinen Augen tanzten glühende Blitze, Schatten, schreiende Menschen, einstürzende Häuser, Kinder, Hunde, Hühner und Kühe. Sie vermischten sich zu einem bedrohlichen Brei, aus dem das schreckensverzerrte und aufgedunsene Gesicht von Dominik auftauchte. Letzte Luftblasen stiegen aus seinem Mund und seiner Nase, bevor er sich in der Finsternis in Nichts auflöste.
Axel konnte selbst nicht fassen, was er getan hatte. Er hatte seinen Kumpel im Stich gelassen. Er hatte ihn ertrinken lassen und war davongelaufen wie der jämmerlichste Feigling!
Jemand packte ihn am nassen T-Shirt und riß ihn herum. Es war Sophia, die ihn schüttelte und fragte: „Wo sind die anderen? Wo?“ Axel konnte nur mit einem Achselzucken antworten.
„Axel, da bist du ja! Axel!“ krächzte Lieselottes Stimme im Menschengewühl. Der Junge spürte eine kleine Hand an seinem nackten Arm und drehte den Kopf. Poppi! Poppi war auch aufgetaucht. Aber Dominik???
An dieser Stelle riß der Film für Axel. Schwarz! Aus! Kein Ton! Kein Bild! Ende! Das brennende Dorf, die glühende Lava, die flüchtenden Menschen, alles war mit einem Schlag verschwunden.
„Ich träume!“ war der erste Gedanke des Jungen, als er wieder zu sich kam. „Ich muß träumen. Oder ich bin tot und ihm begegnet. Eigentlich würde es mir gebühren, weil ich ihn im Stich gelassen habe.“ Die Ereignisse in San Glossa waren augenblicklich wieder da, als Axel die Augen aufschlug. Wie eine tonnenschwere Last drückten sie ihn nieder.
„Do... Dominik!“ Axel brachte den Namen kaum über die Lippen. „Schwache Nerven, junger Mann!“ hörte er die Stimme seines Knickerbocker-Kumpels lässig sagen.
Axel richtete sich kerzengerade auf und schlug mit dem Kopf gegen das niedere Autodach. Während er sich noch jammernd die zukünftige Beule rieb, blickte er sich völlig verdattert um.
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