Die Knickerbocker Bande 30 - Im Reich des Geisterzaren
zitternden Hände zu Fäusten. „Das ist die Halle, die mir Vladimir... ihr wißt schon, der Diener des Geisterzaren, im Café beschrieben hat.“
Lilo begutachtete die Truhe und das gespenstische grüne Licht. Dieses Licht machte es unmöglich, genau zu erkennen, was sich in dem Schrein befand. „Wir öffnen ihn!“ beschloß Lieselotte.
„Du spinnst ja!“ zischte Poppi. „Lieselotte, halt ein!“ rief Dominik.
Plötzlich war die Luft wie elektrisiert. Sie schien zu brutzeln und zu vibrieren, als würden Funken sprühen. „Wir müssen das machen, sonst... sonst wissen wir wieder nicht mehr als bisher!“ blieb Lieselotte stur. Sie zog beide Handschuhe aus und streckte die Arme aus. Als sie den Deckel des Schreins berührte, knarrte es über ihren Köpfen. Lilo nahm es nicht wahr und ruckte an der Holzplatte, um sie abzuheben. Aber die Platte saß fest, und bei jedem Rütteln wurde das Knarren in der Kuppel lauter. Dominik leuchtete in die Höhe und sah, wie einer der „Holz-Tropfsteine“ immer heftiger schwankte. „Lilo, hör auf!“ schrie er, aber das Superhirn dachte nicht daran. Es packte noch fester zu und zerrte den Deckel mit aller Kraft in die Höhe. Da löste sich der Holzzapfen und donnerte zu Boden. An seiner Spitze war ein mindestens zwanzig Zentimeter langer Stahldorn angebracht, der sich nur einen halben Schritt von Lilo entfernt, tief in den Holzboden bohrte. Lieselotte starrte mit weit aufgerissenen Augen zu dem Holzpfahl, der fast so groß war wie sie selbst. Hätte er sie getroffen, wäre sie tot gewesen.
Aber in der Kuppel ging das Knarren weiter. „Raus... raus!“ schrie Poppi und stürzte zu dem gefrorenen Vorhang. Dominik und Lilo folgten ihr. Sie schlüpften in den Vorraum und hörten, wie ein Holzpfahl nach dem anderen von oben heruntersauste und donnernd im Boden steckenblieb. Als endlich wieder Ruhe einkehrte, atmeten die drei erst einmal kräftig durch. Sie konnten sich kaum beruhigen. Lilo mußte allen Mut zusammennehmen, um sich noch einmal gegen den Vorhang zu stemmen und in die Halle zu leuchten. Rund um die Säule mit dem Schrein erhob sich ein Wald aus geschnitzten Pfählen, der jeden Zugriff unmöglich machte.
„Ent... entschuldigt... ich wußte nicht... daß... daß so etwas geschehen kann... Das... also wir... nein, ich will nicht daran denken!“ stammelte Lieselotte. „Weg... gehen wir raus... wir... kommen bei Tag zurück. Das... das ist zu gefährlich... Raus!“ Lilo bewahrte diesmal nicht ihre Ruhe, sondern wurde von Panik gepackt. So schnell sie nur konnten, rasten die drei auf die Straße und schlüpften in das wartende Auto.
„Und? Was war?“ wollte Jurij wissen.
„Später... später!“ vertröstete ihn Lieselotte. Sie mußten sich erst wieder beruhigen, bevor sie erzählen konnten.
Die Juniordetektive brauchten lange, bis sie in den ziemlich ungemütlichen, durchgelegenen Betten ihres Hotels endlich zur Ruhe kamen. Die Ereignisse der vergangenen Stunden hetzten wild durch ihre Köpfe. In Lilos Superhirn tauchte vor allem ein Gedanke immer wieder auf: „Wenn tatsächlich der KGB dahintersteckt... wieso... wieso verschanzt er sich in einem Spukhaus mit mittelalterlichen Tricks? Dem Geheimdienst stehen doch modernere Mittel zur Verfügung. Oder arbeitet der Geisterzar noch immer auf dieselbe Weise, indem er Leute anheuert, die sich wieder den Herrscher von damals wünschen?“
Der Fall war für die drei Knickerbocker fast eine Nummer zu groß geworden. Aber Lockerlassen kam nicht in Frage!
Treffpunkt Galgenstein
Am nächsten Morgen fanden Poppi und Lieselotte einen Brief in ihrem Zimmer. Jemand hatte ihn in der Nacht unter der Tür durchgeschoben. Die Botschaft bestand nur aus einem Satz, und der war in russischen Schriftzeichen verfaßt. Aufgeregt liefen die Mädchen zu Jurijs Zimmer und klopften. „Was heißt das?“ wollten sie wissen.
Der kleine Russe betrachtete das Papier und runzelte die Stirn. „Das bedeutet: Zu Mittag beim Galgenstein!“ Poppi und Lieselotte verstanden kein Wort. Jurij überlegte und meinte: „Ich habe eine Idee, wo das sein könnte. Aber wer bestellt euch dorthin?“ Die Mädchen konnten nur mit den Schultern zucken. Sie hatten keine Ahnung. Aber vielleicht hatte es mit ihrem Besuch im Haus des Geisterzaren zu tun.
Das Superhirn kombinierte: „Da außer Herrn Malakowskij und dir niemand von unserer Reise weiß, liegt der Verdacht nahe, daß wir beobachtet werden. Wahrscheinlich wird jeder Schritt, den
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