Die Knickerbocker Bande 35 - Die Geisterreiter
zweimal kräftig, um die Tränen aus den Augen zu drücken und klarer sehen zu können. Aber schon war das Gesicht wieder verschwunden.
Poppi sprang auf. Sie wußte, daß Lieselotte die Vorderseite und die Tür überwachte. „Lilo!“ schrie sie. „Er ist da... ich habe ihn gesehen... er hat mich angeglotzt!“
Hinter einem blätterlosen Busch tauchte das Superhirn auf und tippte sich an die Stirn. „Spinnst du, du ruinierst alles. Mein ganzer Plan...!“ schimpfte Lieselotte los.
Poppi fuchtelte wild mit den Armen und wollte ihrer Freundin zu erklären beginnen, was geschehen war, als die Eingangstür des Hauses geöffnet wurde.
Lilos Verdacht
Die Mädchen erstarrten und wagten kaum zur Tür zu schauen.
„He, was tut ihr da?“ rief eine Frauenstimme. Lieselotte drehte den Kopf und erkannte eine sehr kleine, gebückte alte Frau mit fast schulterlangem weißem Haar. Sie ging auf einen Stock gestützt und drohte Lilo und Poppi mit der Faust. „Ihr frechen Rangen, haben euch denn eure Eltern nicht beigebracht, daß man fremde Häuser nicht betreten darf?“ schimpfte sie empört.
Von dem Lärm angelockt, kamen jetzt auch Axel und Dominik neugierig von ihren Beobachtungsposten gelaufen.
„Was glotzt ihr so? Habt ihr noch nie im Leben eine Frau mit einem Stock gesehen?“ meckerte die Alte.
Die Frau war eine merkwürdige Erscheinung. Ihr Alter war schwer zu schätzen. Es konnte irgendwo zwischen fünfzig und neunzig Jahren liegen. Besonders ungewöhnlich fanden die Junior-Detektive die völlig glatten schneeweißen Haare.
„Wer sind Sie? Was haben Sie in diesem Haus zu suchen?“ fragte Lieselotte herausfordernd.
„Mädchen, wie sprichst du mit einer Frau, die deine Großmutter sein könnte?“ brummte die Alte vorwurfsvoll. „Ich habe mich viele Jahre lang um dieses Haus gekümmert. Ich war die Haushälterin von Mr. Saxon.“
„Aber er ist doch schon tot. Was machen Sie jetzt da?“ bohrte Axel weiter. Er wußte, daß die Frage sehr frech gestellt war, aber nur so sah er eine Chance, auch eine Antwort zu bekommen.
„Alte Gewohnheiten... ich sehe nach dem Rechten, wie ich es immer getan habe. Ich habe euch gehört, wie ihr eingebrochen seid, wie Diebe. Aber es ist nichts mehr zu holen!“
„Wo sind die Sachen alle?“ wollte Lieselotte wissen.
„Abgeholt!“ lautete die kurze Antwort der Frau. „Abgeholt und weggebracht. Und jetzt geht endlich! Oder soll ich die Polizei holen?“
Die Knickerbocker-Bande zog ab.
„Ich habe Jonathan Saxons Gesicht gesehen. Es war keine Einbildung. Er hat sich aus dem Fenster gebeugt. Lieselotte, du mußt mir das glauben“, beteuerte Poppi. Aber nicht nur das Superhirn, sondern auch Dominik und Axel hatten ihre Zweifel an Poppis Wahrnehmung. Sie wußten, daß ihre Freundin manchmal Gespenster sah, was vor allem dann vorkam, wenn sie angespannt war oder große Angst hatte.
„Ich schlage vor, das Haus später unter die Lupe zu nehmen. Aber erst am Abend, wenn uns keiner beobachten kann“, sagte Lieselotte.
„Ist das dein Ernst?“ fragte sie Poppi leise.
„Ja. Aber wenn du nicht mitkommen möchtest, bleib einfach zu Hause. Ich bin dir deshalb bestimmt nicht böse!“ versicherte ihr das Superhirn.
Allein im Schlafsaal des Internats? Niemals!
Es war fast zwölf, als die Knickerbocker in das Internat zurückkehrten. Unterwegs hatten sie sich einige leckere Sandwiches gekauft: Avocado mit Speck, Roastbeef mit Gurken und Schinken mit Ananas. Mrs. Dexters Eintopf konnte man nämlich - so lautete die einstimmige Meinung - höchstens als Tapetenkleister verwenden.
Einige Minuten nach zwei wurde Lieselotte zum Telefon gerufen. Mrs. Gilles war am Apparat. „Schon wieder eine Geisternachricht!“ sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich habe Ulrika am Vormittag in ein Einkaufszentrum mitgenommen, das einige Meilen entfernt ist. Es war keiner im Haus, auch nicht die Putzfrau. Und als wir nach Hause gekommen sind, war Ulrikas Zimmer voll Blut. ,Verschwinde, Ulrika! Sonst großes Unheil!’ stand in großen Buchstaben auf dem weißen Laken ihres Betts.“
Lieselotte kam ein Verdacht. „Mrs. Gilles, könnte es sein, daß Ulrika die Nachricht selbst geschrieben hat?“ fragte sie.
Die Frau schnappte hörbar nach Luft. „Nei... nein... unmöglich... sie ist mit mir ins Haus gegangen, und als ich dann noch einige Tüten aus dem Wagen geholt habe, kam schon ihr Schrei.“
Lieselotte erwiderte nichts, was Mrs. Gilles besonders unruhig machte. „Du denkst
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