Die Knickerbocker Bande 35 - Die Geisterreiter
Ulrikas Lippen zu beben und ein Wort zu formen.
„Laß mich gehen... laß mich gehen!“ stieß sie hervor. Sie riß die Augen auf und starrte in die Dunkelheit. „Er hat mich gehalten... sein Atem war... so kalt. Er hat mich umklammert, bis ich nicht mehr atmen konnte, und mich dann in die Finsternis gezerrt“, murmelte sie.
„Wer?“ wollte Lieselotte wissen.
„Mr. Saxon... sein Geist... der Geisterreiter. Auf einmal war er da. Ich konnte nicht fliehen... Wo ist er? Was ist geschehen?“
„Still, ganz still!“ versuchte sie Lieselotte zu beruhigen. „Es wird dir gleich jemand helfen!“
Mr. und Mrs. Dexter kamen mit Petroleumlampen in den Händen durch den Garten gelaufen und starrten das totenblasse Mädchen entsetzt an. Ulrika schien nichts wahrzunehmen.
Mr. Dexter nahm sie vorsichtig auf den Arm und trug sie ins Haus. Er brachte sie in die Wohnung, die er mit seiner Frau bezogen hatte, und legte sie dort auf das Sofa.
„Ich verständige Ulrikas Eltern“, sagte Mrs. Dexter.
„Und ruf den Arzt!“ schärfte ihr der Schulleiter ein.
Eine halbe Stunde später war dieser zur Stelle. Er war ziemlich jung. Während Doktor Kirk Ulrika untersuchte, beobachteten ihn die Knickerbocker aus dem Hintergrund.
„Es handelt sich um einen Schock... einen schweren Schock... das ist die einzige Erklärung“, sagte er nach einigen Minuten. Er stand auf und sah die vier Junior-Detektive, die gegen die Wand gelehnt standen. Erstaunt musterte er sie der Reihe nach.
„Wer seid ihr?“ wollte er wissen.
Lieselotte stellte sich und ihre Freunde vor und erklärte, daß sie Ulrika gefunden hatten. Der Arzt wischte sich über das Gesicht, das aussah, als würde jemand das rötliche Haar des Mannes mit aller Kraft nach hinten ziehen: die Haut war seltsam gespannt, die Augen zu Schlitzen verengt.
„Was hatte Ulrika beim Eishaus zu suchen, und was habt ihr dort getrieben?“ wollte der Mann wissen.
Lilo hielt es für besser, bei der Wahrheit zu bleiben. „Sie wollte sich mit uns treffen“, erklärte sie und gab dem Doktor ein Zeichen, mit ihr auf den Gang hinauszukommen. Ulrika sollte nicht hören, was sie dem Arzt anvertrauen wollte.
Doktor Kirk verließ mit Lieselotte den Raum. „Was gibt es?“ Sein Mißtrauen gegenüber der Knickerbocker-Bande war weder zu übersehen noch zu überhören.
Lilo schilderte dem Arzt in Stichworten, was sie und ihre Freunde in den letzten Tagen erlebt hatten. „Ulrika behauptet, daß sie von dem Geisterreiter überfallen worden ist. Sie war kurz wach und hat uns die Begegnung geschildert.“
„Da muß ihr die Phantasie einen Streich gespielt haben“, meinte Doktor Kirk. „Es gibt keine Geister!“
„Aber wir haben den Geist auch gesehen, und er... er... also er sieht genau wie Mr. Saxon aus... dasselbe Gesicht... Doktor, ich glaube auch nicht, daß es echte Geister gibt. Aber vielleicht ist Mr. Saxon gar nicht tot!“
Der Arzt blickte Lieselotte durchdringend an und schüttelte heftig den Kopf. „Der Mann ist tot. Der alte Starrkopf hat sich geweigert, ins Krankenhaus zu gehen. Es war an einem Dienstag, kurz nach Mittag, als er mich in meiner Praxis angerufen hat. Ich sollte sofort zu ihm kommen. Ich bin gleich losgefahren, aber es war bereits zu spät. Seine letzten Worte waren, daß er sofort beerdigt werden möchte. Seinem Wunsch gemäß wurde er schon in der Nacht nach seinem Tod beigesetzt. Der Anwalt der Stadt hat mir später berichtet, daß er keinen einzigen Verwandten aufspüren konnte. Der arme Jonathan muß verdammt einsam gewesen sein.“
Lieselotte wurde unbehaglich zumute. „Aber wir haben den Mann doch gesehen... mit eigenen Augen“, sagte sie noch einmal. Ihre Stimme klang jedoch nicht sehr überzeugend.
„Er kann es nicht gewesen sein!“ wiederholte der Arzt. „Es sei denn, er ist tatsächlich aus dem Reich der Toten zurückgekehrt. Und wenn du mich fragst, dem alten Querkopf würde ich das ohne weiteres zutrauen.“
Das Superhirn schluckte und warf seinen Freunden einen Blick zu. Axel, Poppi und Dominik standen ein paar Schritte entfernt, hörten aber genau zu.
„Ulrika beschuldigt ihre Eltern, ihn umgebracht zu haben!“ murmelte Lilo und wartete ein wenig ängstlich auf die Reaktion des Arztes.
„Ulrika ist krank im Kopf, um es einmal so auszudrücken!“ lautete Doktor Kirks Antwort. „Sie war bereits mehrere Male in meiner Praxis und hat mir ähnliche Schauergeschichten aufgetischt. Ich sage euch jetzt etwas: Ich halte von den Gilles
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