Die Knoblauchrevolte
Alterchen überfahren hatte, stand im Hof. Der Wagen war voll beladen mit grünen Knoblauchstengeln. An seiner Vorderseite klebte Blut.
Schwägerin, gibt es in deinem Fall schon einen Lichtblick? Das Urteil wird bald ergehen, aber es fällt mir schwer, mich von meinem lieben Kind zu trennen.
Schwägerin, du mußt dir sagen, solange ein Kind klein ist, rennt es wie ein junger Hund immer um die Mutter herum, aber wenn es größer wird, braucht es sie nicht mehr so sehr. Das Auto war blutbeschmiert. Mit dem Blut meines Alterchens und dem Blut unserer Kuh. Es roch nach Blut und Knoblauch. Auch die Knoblauchstengel auf unserem Ochsenkarren haben sie kaputtgefahren, die Knoblauchstengel, die mein Alterchen im Schweiße seines Angesichts gepflanzt hatte, alle hin. Wir drei aus unserer Familie warteten im Hof der Gemeindeverwaltung und bewachten Alterchens Leiche. Wir warteten, bis es Mittag wurde. Aber niemand kam heraus, um uns zu fragen, was wir wollten. Fliegen krochen über Alterchens Gesicht. Sie krochen auf ihm herum, um einen weißen Belag in seinen Augen, seinem Mund, seinen Nasenlöchern und seinen Ohren abzulegen. Einen weißen Belag? Der weiße Belag, das waren Maden, und im Nu wurde dieses weiße Zeug lebendig. Die Fliegen kamen in Schwärmen, kaum hatte ich einen Schwarm verjagt, war auch schon der nächste da. Ich nahm ein Stück Zeitungspapier, um Alterchens Gesicht damit zuzudecken. Aber wie konnte ihn das schützen? Die Fliegen krochen einfach unter die Zeitung.
So viele Neugierige kamen aus der ganzen Umgebung zu uns, aber nicht ein einziger Beamter ließ sich blicken. Mein zweiter Sohn besorgte uns in einem Restaurant in der Nähe zwei Pfund Ölgebäck, das in Papier gewickelt war. Er bot mir davon an. Ich biß auch hinein, aber der Happen drehte sich mir im Mund herum und wollte nicht hinunter. Ich konnte einfach nichts essen, mit Alterchens Leiche vor den Augen. Den ganzen Vormittag hatte er in der Sonne gelegen und roch schon etwas. Mein Ältester konnte auch nichts essen, nur der zweite hatte Appetit. Er stieg aufs Auto und holte sich ein Bündel Knoblauchstengel herunter. In der einen Hand das Ölgebäck, in der anderen die grünen Knoblauchstengel, biß er abwechselnd links und rechts ab. Die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf, und seine Wangen wölbten sich. Aber im Innersten war ihm auch nicht wohl zumute.
Als die Sonne schon rot wurde, kam endlich ein Beamter. Es war Assistent Yang. Eigentlich hätte er zu unserer weiteren Verwandtschaft zählen sollen, aber weil meine Tochter mit Gao Ma geht, ist aus der Verwandtschaft nichts geworden. Aber er war immer noch ein Vertrauter. Mein Ältester nannte ihn Onkel Acht, und der zweite hat für ihn unzählige Hilfsdienste geleistet, beim Hausbau, beim Mauerziehen, beim Erdeausheben und Düngertransportieren, er hat für ihn gearbeitet wie ein Knecht. Als Assistent Yang auf dem Fahrrad durch das Tor hereinkam, dachte ich, jetzt wird alles gut. Wir warten auf die Sterne, wir warten auf den Mond, endlich ist unser Rettungsstern gekommen. Die Jungen liefen Assistent Yang entgegen, und ich folgte ihnen. Wie sollten wir ihn anreden? »Onkel Acht« war immer noch das beste. »Onkel Acht«, sagte ich, »sei unser Gebieter, ich knie vor dir nieder.« Ein Kniefall, heißt es, ist tausend Goldstücke wert. Assistent Yang wollte nichts davon wissen und zog mich sofort hoch. Ich merkte erst später, daß das Verstellung war. Er zog sein Taschentuch und wischte sich die Augen. Als er die zerrissene Zeitung von Alterchens Gesicht nahm, schwirrten surrend die Fliegen auf. Er zuckte vor Schreck zurück. »Tante Vier«, sagte er, »das ist keine Lösung, ihn hier hinzulegen.« Mein zweiter Sohn erwiderte: »Parteisekretär Wang hat meinen Vater überfahren. Dafür müßte er sich zumindest entschuldigen. Mein Vater war arm und ohne Ansehen, aber er war auf jeden Fall ein Mensch. Wenn man einen Hund überfährt, pflegt man den Besitzer um Verzeihung zu bitten.« Assistent Yang zog die Brauen hoch. »Vergessen wir mal, daß deine Schwester durchgebrannt ist und eure Familie den Ehevertrag gebrochen hat. Mein armer Neffe ist davon gemütskrank geworden, er kann den ganzen Tag nichts als weinen und lachen. Aber das ändert nichts an unseren guten Beziehungen. Wenn ein Geschäft platzt, darf man den Anstand nicht vergessen. Ich will dich nicht kritisieren, aber was du eben gesagt hast, war unüberlegt. Parteisekretär Wang saß nicht am Steuer. Wie konnte er deinen Vater
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