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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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und das verzerrte, zähnebleckende eines Hageren. Er und der Esel lagen auf der Nase des Autos, die warme Luft ausatmete. Er konnte sich wieder daran erinnern, daß die Kuh, als sich das Auto vor ihnen aufbäumte, einen schrecklichen Schrei ausstieß. Onkel Vier drückte ihren Kopf ganz fest an sich. Sein Schädel schrumpfte im starken weißen Licht und sah aus wie ein Stück Stahl oder Bronze, über das ein gelbes und blaues Flackern lief. Die geschlossenen Augen und der aufgerissene Mund verstärkten noch den Ausdruck der Panik in seinem Gesicht. Seine Segelohren wurden vom Scheinwerfer weiß durchstrahlt. Die Stoßstange des Wagens traf die Beine Onkel Viers und der Kuh. Onkel Vier stürzte nach vorn, dann flog er quer durch die Luft, die Arme wie Flügel ausgestreckt, sein Anzug ein flatterndes Federkleid. Er landete in einem Wachskrautgebüsch. Die Kuh senkte den Kopf und fiel zu Boden. Das Auto schob die Kuh und den kaputten Karren ein Stück vor sich her und begrub sie dann unter sich.
    Und dann? Dann rief der Dicke im Auto: »Nichts wie weg!« Der Hagere versuchte das Auto zurückzusetzen, aber es bewegte sich nicht. Er gab mehr Gas, und das Auto glitt zurück und wieder vor, fuhr an Gao Yang und dem Esel vorbei und suchte den Weg ins Tal. Aus dem Kühler des Autos plätscherte Wasser.
    Die Arme immer noch um den Kopf seines Esels geschlungen, versuchte Gao Yang angestrengt, sich darüber klarzuwerden, was passiert war. Er tastete seinen eigenen Kopf ab. Der Kopf war unverletzt. Nase, Augen, Ohren, Mund – alles war vorhanden. Er berührte den Kopf seines Esels. Auch ihm fehlte nichts. Nur seine großen Ohren waren kalt wie Eis. Gao Yang mußte wie ein kleines Kind mit offenem Mund laut weinen.

Fünfzehntes Kapitel
    Ich schlage meine Laute
    und singe freudestrahlend
    die Weisheit der Partei.
    Das Dritte Plenum des ZK
    hat uns den rechten Weg gewiesen:
    Knoblauch pflanzen, um reich zu werden,
    das, Brüder, ist die neue Linie.
    Aus einem fröhlichen Lied, das Zhang Kou im Januar 1987 auf dem Hochzeitsbankett der Familien Wang und Niu im Dorf Qingyang vortrug. Die Gäste waren in ausgelassener Stimmung, und Zhang Kou betrank sich so, daß er drei Tage und drei Nächte brauchte, um seinen Rausch auszuschlafen.
1
    In ihrer zweiten Nacht in der Gefängniszelle träumte Tante Vier, daß Onkel Vier mit blutverschmiertem Körper an ihr Bett trat.
    »Frau«, sagte er, »du liegst hier auf der faulen Haut und ißt Speisen, die andere für dich kochen. Warum klärst du nicht meinen Fall auf und nimmst Rache für mich?«
    »Alterchen«, erwiderte sie, »ich kann in deiner Sache nichts tun. Ich kann dich nicht rächen. Ich bin eine Verbrecherin.«
    »Wenn das so ist«, seufzte Onkel Vier, »dann kann man nichts machen. Ich habe zweihundert Yüan in einer Ritze in der zweiten Ziegelreihe unter dem Fensterbrett versteckt. Wenn du entlassen wirst, holst du das Geld heraus und kaufst mir für hundert Yüan eine Schatzkammer, die du mit Totengeld füllst. In der Unterwelt geht es genau so zu wie oben. Für alles braucht man Beziehungen. Ohne Geld erreicht man gar nichts.« Onkel Vier wischte sich das Blut vom Gesicht und entfernte sich langsam.
    Tante Vier schreckte aus ihrem Traum hoch. Die Bettdecke, die sich hart wie eine Panzerplatte anfühlte, war von ihrem kalten Schweiß durchnäßt. Onkel Viers blutbesudelte Gestalt schwebte noch vor ihr. Angst und Schmerz befielen sie. Gab es wirklich eine Unterwelt? Wenn sie wieder zu Hause war, würde sie als erstes nach der Ritze in der zweiten Ziegelreihe unter dem Fenster suchen. Wenn dort wirklich das Geld lag, dann mußte es eine Unterwelt geben. Ihren Söhnen wollte sie aber nichts von dem Versteck sagen. Von diesen beiden Schweinehunden war einer schlimmer als der andere.
    Beim Gedanken an ihre Söhne mußte Tante Vier seufzen. Auch die Frau auf der Pritsche gegenüber stöhnte. Sie dachte ebenfalls an ihr Kind. In der Nacht war sie wieder zum Verhör abgeholt worden. Als sie zurückgebracht wurde, ließ sie sich schwer auf ihre Pritsche fallen und weinte eine Weile. Dann beruhigte sie sich etwas und stöhnte nur noch leise vor sich hin.
    Die Mitgefangene schlief ein. Ihr Schnarchen war mal schneller, mal langsamer. Es klang, als ob sie träumte. Tante Vier konnte nicht wieder einschlafen. Eine Fledermaus kam durch das vergitterte Fenster hereingehuscht, flatterte ein paarmal im Kreis herum und flog wieder hinaus.
    Die Nacht war grenzenlos. Tiere und Menschen redeten im

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