Die Knoblauchrevolte
mit den schwarzen, schlauen Augen, du kicherst, du streckst deine Beine aus, mit lächelndem Gesicht stellst du uns ein Bein.
Kopfüber stürzte Gao Ma zu Boden. Obwohl sein Körper unter ihr lag, hatte sie das Nachgeben der Jute gespürt. Wie eine stürmische Flutwelle schlug die unerschöpfliche Jute wieder über ihnen zusammen. Sie traute sich nicht, die Augen zu öffnen. Sie wollte nichts als schlafen. Sie fiel in eine Art Traumzustand, in dem sich alles Geräusch immer weiter von ihr entfernte. Es blieb nichts als sanfte Jute, es blieb nichts als eine kühle Wärme, die alle ihre Sinnesorgane erfüllte.
2
Sie wurde vom Rauschen einer Welle geweckt. Das Geräusch hatte ihr so lange zugesetzt, bis sie erwachte. Als erstes sah sie Gao Mas abgezehrtes Gesicht von intensivem orangegelbem Licht umrahmt. Sein Gesicht wirkte purpurrot. Seine Lippen waren trocken und rissig. Er hatte dunkle Ringe unter den Augen, das zerzauste Haar war struppig wie ein Hundefell. Ein Zittern überlief sie. Erst in diesem Augenblick wurde sie gewahr, daß er ihre Hand mit seiner großen Hand fest umfaßt hielt. Sie sah ihn an und hatte plötzlich das Gefühl, daß er ihr sehr fremd war, wie jemand, den sie noch nie gesehen hatte. Aber dieser Fremde hatte sich ihrer Hand bemächtigt. Das ängstigte sie. In ihr stieg ein verschwommenes Gefühl von Schuld auf, das sie beunruhigte. Sie entzog ihm ihre Hand und bog ihren Körper nach hinten. Eine Reihe hoher und fester Jutestengel stützte ihren Rücken. Sie lehnte sich zurück und drückte den Rücken gegen diese Jutestengel. Goldenes Licht floß zwischen den Pflanzen hindurch. Die wie Hühnerkrallen geformten Juteblätter zitterten leicht, als ob sie ihr etwas mitteilen wollten.
»Jinjü, Jinjü!« Es war die Stimme ihres Vaters, alt und heiser. Sie richtete sich auf und ergriff Gao Mas Hand. »Jinjü, Jinjü!« Das war die Stimme ihres Bruders, scharf und gereizt. Die Stimmen ihres Bruders und ihres Vaters kamen über die Jutespitzen herangeglitten und verschwanden wieder in der Ferne. Gao Ma setzte sich auf, die Augen weit geöffnet und wachsam wie ein in die Enge getriebener Hund.
Sie hielt die Luft an, um besser zu hören, das Rascheln der Jute und die vom Flußufer kommenden Rufe ließen sie die Abendstille noch deutlicher wahrnehmen. Sie hörte das Klopfen ihres eigenen Herzens.
»Jinjü – Jinjü – Jinjü – Jinjü, du Mißgeburt, willst du mich ruinieren?«
Sie sah förmlich, wie Vater weinte. Sie stieß Gao Mas Hand weg und stand auf. In ihren Augen standen Tränen. Vaters Rufe klangen immer trostloser. Sie setzte zu einer Antwort an. Gao Ma hielt ihr mit seiner großen Hand den Mund zu. Die Hand roch nach Knoblauch. Sie kämpfte gegen ihn an, sie röchelte, sie griff mit beiden Händen in die Luft. Gao Ma umfaßte ihre Hüfte und zog sie vorwärts. Sie krallte nach seinem Kopf, sie hörte ihn tief einatmen, und die Hand, die ihren Mund bedeckte, gab sie frei. Unter den Fingernägeln, die sich in seine Kopfhaut bohrten, spürte sie etwas Feuchtes und Klebriges. Goldrotes Blut lief ihm vom Haaransatz in die Augenbrauen.
Sie warf sich auf ihn, schloß ihn in die Arme und fragte weinend: »Was hast du da?«
Gao Ma wischte sich mit der Hand über die Stirn und sagte: »Du hast die Narbe auf meinem Kopf aufgerissen, wo mich deine lieben Brüder blutig geschlagen haben.«
Sie vergrub ihr Gesicht an seiner Schulter: »Liebster Gao Ma, das ist alles meine Schuld, meinetwegen hast du so viel durchgemacht.«
»Du kannst nichts dafür. Ich hab mir das selber eingebrockt«, sagte er. »Jinjü, ich habe es mir überlegt, du kannst zurückgehen …«
Gao Ma hockte sich auf den Boden und vergrub seinen Kopf in den Händen.
»Nein, Liebster.« Sie kniete sich hin und umarmte seine Beine. »Liebster, ich habe mich entschieden. Selbst wenn ich mir mit dem Bettelstab mein Essen besorgen müßte, ich bleibe bei dir.«
3
Die Sonne ging unter. Die Farben des Himmels verblaßten. Auf die Spitzen der Jute legte sich ein feiner, grüner Dunst. Durch diesen Dunst hindurch sahen sie am hellblauen Himmel mehrere faustgroße Sterne erscheinen.
Jinjü stolperte und fiel hin. »Gao Ma«, keuchte sie, »ich kann nicht mehr weiter.«
Gao Ma packte sie am Arm und versuchte, sie hochzuziehen. »Mach schon«, sagte er, »dein Vater und dein Bruder werden Leute beauftragen, uns zu suchen.«
»Ich kann nicht mehr laufen«, stöhnte Jinjü.
Gao Ma ließ ihren Arm los und musterte die Umgebung. Im
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