Die Knoblauchrevolte
das Geräusch schwerer Schritte. Gao Ma hob den Kopf so weit an, daß er die Ohren frei bekam und verfolgen konnte, was passierte. Die Schritte verhielten vor dem Schweinestall.
»D-du versteckst d-d-dich im Schweinestall«, rief ein Polizist. »G-g-glaubst du, ich s-s-sehe dich nicht? K-k-komm heraus!«
»Komm heraus, oder ich schieße!« Das war der zweite Polizist.
»Genossen, was macht ihr da?« fragte Lehrer Zhu.
»Wir v-v-verhaften einen Konterrevolutionär.«
»In meinem Schweinestall?«
»Stör uns nicht. Wenn wir ihn haben, reden wir mit dir!« herrschte ihn der Polizist an. »Komm raus, komm sofort raus, oder ich schieße. Gegen einen Verbrecher, der sich der Festnahme entzieht, darf man laut Gesetz Zwangsmaßnahmen ergreifen. Wenn ich dich erschieße, ist das absolut legal.«
»Genossen, was sind das für Scherze?«
»D-d-du bist nicht gefragt«, sagte der stotternde Polizist. »Ich geh jetzt r-r-rein und h-h-hole ihn.«
Der stotternde Polizist schwang sich über die niedrige Mauer und steckte den Kopf in den Schweinestall. Sofort kamen ein paar Wespen angeschwirrt und hätten ihn fast in den Mund gestochen.
»Genossen«, sagte der Lehrer, »wofür haltet ihr mich? Warum sollte ich euch an der Nase herumführen? Ich höre Schüsse und Lärm im Schweinestall. Ich komme raus, um nachzusehen, und was sehe ich? Ein schwarzer Schatten verschwindet blitzschnell über die Mauer in Richtung Süden.«
»Flüchtigen Verbrechern Unterschlupf zu gewähren«, sagte der Polizist, »ist auch ein Verbrechen. Das müßte dir klar sein.«
»Ich weiß.«
»Wie h-h-heißt du?« fragte der stotternde Polizist.
»Mein Name ist Zhu Santian.«
»Du h-h-hast einen Schatten gesehen, d-d-der in Richtung Süden über die M-m-mauer verschwand?« fragte der stotternde Polizist.
»Ja.«
»Was bist du von Beruf?« wollte der nicht stotternde Polizist wissen.
»Ich bin Lehrer.«
»Parteimitglied?«
»Vor der Befreiung war ich in der Kuomintang.«
»Die Kuomintang? Dann warst du ja was Besseres. Aber ich s-s-sage dir, w-w-wenn du uns reinlegst, werden wir dich bestrafen, ganz egal, in w-w-welcher Partei du bist.«
Die Polizisten stiegen aus dem Schweinekoben und kletterten über die südliche Mauer, um den schwarzen Schatten zu fangen.
Gao Ma wußte, daß hinter der Mauer eine Sackgasse verlief, die vor einer Glasnudelfabrik endete. Die Sackgasse wurde von einem Graben gesäumt, der stinkendes schwarzes Abwasser führte.
Lehrer Zhu nahm die Kürbisschale von Gao Mas Kopf und sagte: »Lauf los, immer nach Osten.«
Gao Ma mußte sich mit den Händen am Krugrand abstützen, um sich aus dem klebrigen, dicken Futterbrei herauszuarbeiten. Sein ganzer Körper war mit verfaulten roten Süßkartoffelblättern bedeckt. Eine dunkelrote Flüssigkeit lief an seinen Armen und Beinen hinab. Ein stechender, saurer Geruch erfüllte das ganze Zimmer. Gao Ma machte erneut Anstalten, sich im Stil alter Pekingopern auf die Knie zu werfen, um sich zu bedanken, aber der Lehrer sagte: »Laß das bleiben. Du mußt dich beeilen.«
Als Gao Ma über den Hof lief, blies der Wind über seinen nassen Körper, und ihn fröstelte. Er rannte durch das Tor und folgte der Gasse etwa fünfzig Schritte nach Osten, bis er an eine breitere Querstraße kam. Am Ausgang der Gasse zögerte er, als hätte er Angst, daß von allen Seiten Lederstiefel auf ihn zustürmen und ihn zu Boden treten würden. Auf der gegenüberliegenden Seite verlief ein etwa hüfthoher Zaun, den er mit einem kurzen Anlauf überspringen konnte. Die Querstraße war menschenleer. Er flog über den Zaun und landete in einem Beet mit Koriander, der schon zwei Spannen hoch war und mit seinen blaugrünen Blättern einen angenehmen, betörenden Duft verströmte. Er hatte keine Zeit, sich daran zu erfreuen, sondern raffte sich auf und rannte, so schnell er konnte, am Rand eines Feldes entlang nach Osten. Dabei sah er den weißhaarigen Vater von Gao Pingchuan auf Händen und Knien ein Kohlbeet bearbeiten. Wieder stand ihm ein Zaun im Wege. Er flog darüber hinweg. Aber diesmal gelang ihm der Sprung nicht so gut. Der lose Ring der Handschelle, die an seinem Handgelenk baumelte, verfing sich in einer Zaunspitze, und als er mit aller Kraft daran zerrte, brach die Zaunlatte ab. »Wer ist da?« rief Gao Pingchuans Vater.
Wieder eine breite Querstraße, an deren Südende eine Gruppe Frauen plaudernd im Schatten saß. Die gegenüberliegende Straßenseite wurde von Häuserwänden und Hofmauern
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