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Die Knoblauchrevolte

Die Knoblauchrevolte

Titel: Die Knoblauchrevolte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Yan
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weißes Gesicht näherte sich seinem Gesicht. Er nahm den betörenden Geruch ihres Gesichts auf. Die glänzende Metallkapsel bewegte sich über seinen Brustkorb. Er verspürte einen gewissen Druck, aber dieser Druck war angenehm. Er wußte, daß er diesen Augenblick nie mehr vergessen würde.
    Wenn ich noch heute in dieser Zelle sterben müßte, täte es mir nicht leid. Das Leben hat sich gelohnt. Eine vornehme Frau hat mir über die Stirn gestrichen und ihr Gesicht so nah an mein Gesicht gehalten, daß ich ganz deutlich ihren Duft riechen konnte, und als sie sich über mich beugte, habe ich die weiße Haut unterhalb ihres Halses gesehen, die wie Weizenmehl war. Was kann einem im Leben Besseres passieren?
    Sie klopfte mit der Hand auf seine Brust und sagte sanft: »Dreh dich um.«
    Er sah noch, daß sie eine Glasröhre mit kaffeebraunen Querstreifen hochhielt, in der sich eine goldgelbe Flüssigkeit befand. An der Spitze der Glasröhre steckte eine lange Silbernadel. Gehorsam drehte er sich um. Ihre zärtlichen Finger, dünn und weich, ihre kühlen Finger, wie angenehm waren ihre Finger! Diese Finger packten den Bund seiner kurzen Hose und zogen sie mit einem Ruck nach unten. Sein Gesäß wurde entblößt, und ein kalter Luftzug streifte seinen After, so daß sich sämtliche Muskeln seines Körpers anspannten. Noch größere Kälte breitete sich auf seiner linken Hinterbacke aus. Sie reibt mir mit einem Wattebausch den Hintern ab.
    »Locker lassen«, sagte sie ernst, »entspann deine Muskeln. Wovor hast du Angst? Hast du noch nie eine Spritze bekommen?«
    Sie schlug ihn mit der flachen Hand aufs Gesäß und sagte: »Wenn du so anspannst, geht es nicht.«
    Es hat sich gelohnt, es hat sich gelohnt. Sie ist eine vornehme Frau. Es stört sie nicht, daß ich dreckig bin. Mit ihrer so sauberen Hand klopft sie mir auf den Hintern. Wenn ich noch heute in dieser Zelle sterben müßte, täte es mir nicht leid.
    Sie klopfte mit zwei Fingern auf sein Gesäß und fragte: »Was ist mit deinem Fuß passiert? Warum ist er so stark geschwollen?«
    Seine Gedanken richteten sich auf seinen Knöchel, und das Glück überwältigte ihn mit solcher Kraft, daß es ihn fast erwürgte. Er war nicht in der Lage zu antworten.
    Sie schlug ihn noch einmal auf den Hintern, dann kam ein Stich, wie von einer giftigen Wespe. Sie drückte die Nadel tiefer hinein. Ihre Fingerknöchel preßten sich in die Haut seines Popos. Darin lag eine ungeheure Zärtlichkeit, wie er sie noch nie im Leben erfahren hatte. Sie schien vom Himmel herabgestiegen zu sein und machte seine Seele trunken. Er schluchzte.
    Gao Yang hoffte, daß diese Behandlung niemals enden würde, aber die Gefängnisärztin zog die Nadel bereits wieder heraus. Während sie ihren Arztkoffer einräumte, fragte sie: »Weshalb weinst du? Tut es so weh?«
    Er gab keine Antwort. Betrübt dachte er: Nach der Spritze wird sie gehen.
    »Doktor«, sagte der junge Häftling, »ich habe Verstopfung. Bitte untersuchen Sie mich.«
    »Laß drin, was nicht rauskommt«, sagte die Ärztin.
    »Doktor, das klingt aber gar nicht vernünftig.«
    »So einen kleinen Halunken wie dich muß ich auch nicht vernünftig behandeln.«
    »Doktor, ich bin kein Halunke. Auf der Schule bin ich in dieselbe Klasse gegangen wie Ihre Tochter. Wir waren ein Paar.«
    »Nimm dich in acht, Nummer sieben«, sagte der Direktor vorwurfsvoll.
    Das Gespräch des jungen Häftlings mit der Ärztin verstimmte Gao Yang. Er hatte gehofft, die Ärztin würde noch ein paar Worte mit ihm wechseln, aber sie nahm ihren Arztkoffer und ging mit dem Gefängnisdirektor zusammen weg.
    Eine halbe Stunde später erschien das Gesicht des Gefängnisdirektors im Türfenster. »Nummer neun, für dich kommt jetzt eine Schüssel mit Krankenkost. Du mußt das essen.«
    Eine graue Schüssel mit Nudelsuppe wurde durch die Türöffnung hereingeschoben. Sofort erfüllte Wohlgeruch die Zelle. In die Augen der Gefangenen trat ein gieriger Glanz. Der Mann mittleren Alters nahm persönlich die Schüssel in Empfang und richtete sich zu voller Größe auf, als er sah, daß zwei goldene Eier in den Nudeln lagen. Auf der Suppe schwammen Porreeblätter und Fettaugen.
    »Direktor«, schrie der junge Häftling, »ich bin auch krank, ich habe Bauchschmerzen.«
    Der Direktor rief einen im Flur auf und ab gehenden Soldaten zu sich und befahl ihm: »Paß auf, daß sich niemand an der Krankenkost vergreift.«
    Verdattert setzte der Mann mittleren Alters die Schüssel mit dem Essen

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