Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
Vom Netzwerk:
Lukas. Hör mal, ich hab 'ne ganz wichtige Bitte an dich.”
    „Hi Lukas, lange nicht gehört.”
    „Ja, ist ein bisschen her. Sag mal, dein Bruder ist doch Chemiker. Und ich hab hier so ein Zeug, das ich analysieren lassen muss. Ich muss wissen, was das genau ist. Ich weiß, das ist viel verlangt. Aber könntest du deinen Bruder bitten, das zu machen. Es ist wirklich extrem wichtig.”
    Sven Polmeyer sagte überhaupt nichts.
    „Bist du noch da?”, fragte Lukas.
    „Ja ja … ich versteh bloß nicht, was du genau willst. Und ich glaub auch kaum, dass mein Bruder Zeit hat, für irgendwelche Leute irgendwelche Proben zu analysieren.”
    „Es ist wirklich sehr wichtig, ich kann auch dafür zahlen. Oder ich geb einen Kasten Bier aus … von mir aus auch zehn Kästen. Es ist wirklich verdammt wichtig für mich, mehr kann ich dir auch nicht sagen.”
    Lukas hörte ein genervtes Ausatmen. Jetzt stell dich nicht so an, du Arschloch . Lukas dachte es, sagte es aber nicht. Dann wieder Sven Polmeyer:
    „Ich kann ja mal nachfragen.”
    „Wie gesagt, ich kann ihm auch was zahlen dafür.”
    „Lass mal, ich frag ihn erst so. Vielleicht ist ihm ja langweilig.”
    „Das wäre echt klasse”, antwortet Lukas. „Es ist wirklich sehr wichtig. Ich bin dir was schuldig.”
    „Was ist das überhaupt, was du da analysieren lassen willst?”
    „Keine Ahnung, deshalb will ich es ja analysieren. Ich weiß nur, dass es schwarz ist und stinkt.”
    „Hm”, machte Sven.
    „Okay, danke für deine Hilfe. Ich hab noch was zu erledigen. Mach's gut und bis dann.”
    „Jo, bis dann.”
    Lukas schob sich das Handy in die Hosentasche, betrachtete den unbewegten Waldrand und überlegte, was zu tun war. Das Vergangene, das ließ sich nicht mehr ändern. Ein Junge war tot. Lukas dachte an das, was Herr Schneider ihm geschrieben hatte. Scheinbar kamen nur alle paar Jahre Kinder um. Wie war das? 1937, 1946, dann Mitte der Fünfziger ein Mord und Mitte der Sechziger schließlich das Mädchen der Schneiders. Wieso gab es hier im Haus eigentlich keine Fotos von ihr?
    Wenn also nur alle zehn Jahre ein Kind umkam, dann hatte er ja massenhaft Zeit, so überlegte Lukas. Aber konnte er darauf vertrauen? Schließlich hatte es ja auch Angriffe auf Kinder gegeben, die diese überlebt hatten. Wie bei seinem Bruder damals. Trotzdem … wenn gerade erst ein Kind getötet worden war, dann war es unwahrscheinlich, dass in den nächsten Tagen, Wochen oder Monaten wieder etwas passieren würde. Aber vertrauen konnte man eben auch nicht darauf.
    Eine Sache war komisch an der ganzen Angelegenheit. Etwas stimmte nicht. Angenommen, dieses Hinaustragen menschlichen Blutes in den Wald, hielt die dürre Frau – oder was auch immer dieses Wesen war – davon ab, zu töten. Und weiterhin angenommen, dass die Verwandlung des Blutes in einen schwarzen Klumpen das Zeichen war, dass dieses Wesen irgendetwas mit dem Blut gemacht hatte … dann hätte doch das Kind nicht sterben dürfen. Das Blut war doch schwarz und verklumpt, Lukas hatte das meiste davon erst vor wenigen Stunden in der Spüle entsorgt. Fast wurde ihm übel beim Gedanken an das stinkende Zeug.
    Lukas setzte sich in den alten Fernsehsessel und die Federn quietschten. Er massierte seine Schläfen und schloss die Augen. Die Erkenntnis, dass er keine Ahnung hatte, was er tun sollte, ließ sich nicht mehr unterdrücken. Natürlich … es gab die Möglichkeit, einfach hier zu bleiben, sich irgendeinen öden Provinzjob zu suchen und regelmäßig Blut in den Wald zu tragen. Aber was verdammt war das für ein beschissenes Leben? Eigentlich, so überlegte Lukas, musste er ja gar nicht hier bleiben. Er konnte auch einfach in regelmäßigem Abstand nach Rothenbach fahren und die Sache mit dem Blut erledigen. Sein ganzes Leben lang … und dann auf dem Sterbebett einen Nachfolger bestimmen. Oh Gott! Was für eine Scheiße! Oder aber herausfinden, was es mit der dürren Frau auf sich hat und dann todesmutig dieses Gespenst suchen und zur Strecke bringen. Lukas, der Held Rothenbachs! Rächer dutzender, vielleicht gar hunderter toter Kinder! Wie lange gab es eigentlich schon diese Sage von der dürren Frau? Wie lange wurden schon Kinder in den Wald gelockt und umgebracht? Wie viele hatte sie schon erwischt? Und was zum Teufel war sie? Ein jahrtausendealter Dämon? Ein Gespenst? Oder einfach ein Raubtier, das Beute machen musste?
    Lukas öffnete die Augen und stemmte seine Hände auf die abgewetzten Armlehnen. Okay, auf

Weitere Kostenlose Bücher