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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Ordnung sei, dass niemand sich Sorgen zu machen brauche. Er werde jetzt nach seiner Frau sehen … man wolle jetzt allein sein.
    Die Nachbarn glaubten ihm nicht und als er die Tür geschlossen hatte, da riefen sie bei der Polizei an. Die Frau, die das Telefon hatte, sagte der Polizistin, mit der sie sprach, es sei ein Skandal, dass die Familie nach diesem Unglück nicht psychologisch betreut werde. Man könne die Eltern doch nicht einfach allein lassen. Da könnte doch sonst was passieren. Das sei wirklich ein Skandal, man müsste an die Presse gehen mit so etwas.
    Eine halbe Stunde später saßen zwei Polizisten bei Simons Eltern auf der hellbraunen Wohnzimmercouch. Die Mutter hatte Kaffee gekocht, der Mann stellte Fragen und der ältere der beiden Polizisten wand sich. Am liebsten hätte er sich in Luft aufgelöst. Das alles überforderte ihn. Außerdem – das hätte er allerdings nie zugegeben – machte ihm der Mann Angst, der ihm da gegenüber saß, die Hände knetete und ihm Fragen stellte, die er nicht beantworten konnte. Wut und Verzweiflung dieses Mannes erfüllten das Zimmer wie dichter Rauch.
    „Nein Herr Kirschner, wir können wirklich noch nichts sagen. Das ist ja erst ein paar Stunden her und...”
    „Es tut mir wirklich sehr leid, es ist erst einmal besser, wenn Sie ihren Sohn nicht sehen. Das sollten Sie sich und Ihrer Frau...”
    „Wirklich Herr Kirschner, wir können noch nichts sagen. Sie müssen uns wirklich Zeit geben. Aber ich verspreche Ihnen dass wir alles...”
    „Nein, bitte … Sie können jetzt nichts unternehmen. Rufen Sie am besten Freunde und Verwandte an, damit Sie nicht...”
    „Wirklich, Herr Kirschner. Ich habe auch keine Informationen. Die Spurensicherung ist ja noch nicht einmal fertig. Sie müssen uns wirklich Zeit geben. Aber wir tun wirklich alles was in...”
    Als sie zurück zu ihrem Wagen gingen, da zog der ältere der beiden Polizisten ein Stofftaschentuch aus seiner Hosentasche und tupfte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Er musste unbedingt duschen, der Schweiß lief ihm von den Achselhöhlen bis hinunter zum Hosenbund. Der jüngere Polizist schaute auf den Boden und hatte die Hände in den Taschen.
    Die Polizisten hatten die Eltern auf dem Sofa zurückgelassen. Der Vater des toten Jungen hatte seinen Arm um seine Frau gelegt und sie hatte wieder zu weinen angefangen. Der ältere Polizist hatte nicht mehr gewusst, was er sagen sollte und der Jüngere hielt sich sowieso die ganze Zeit heraus. Sie saßen noch fünf Minuten da, dann verabschiedeten sie sich. Niemand begleitetet sie zur Tür.
    „Also das ging mir echt an die Nieren”, sagte der Ältere und stopfte sich das feuchte Taschentuch in die Hose. „Wenn man sich vorstellt, dass so was dem eigenen Kind passiert.”
    „Du hast das aber gut hinbekommen”, antwortete der Jüngere und ignorierte den bösen Blick seines Kollegen.
    „Du hättest ruhig auch mal was sagen können. Ich hab ja irgendwann nicht mehr gewusst, was ich dem antworten soll. Ich hoffe nur, dass der Mann nicht irgendwelchen Blödsinn macht … so wie der gerade drauf war.”
    „Du hast das schon gut hinbekommen”, wiederholte der Jüngere und kramte in seiner Tasche nach dem Autoschlüssel. Er hatte sich irgendwie im Stoff verhakt.
    „Du bist wirklich keine Hilfe”, sagte der Ältere und lehnte sich mit dem Rücken an den Polizeiwagen. „Ich hätte genauso gut allein hinfahren können.”
    Ein kleiner Junge kam die Straße herunter, etwa zehn Jahre alt. Er kam an den Polizisten vorbei, grüßte freundlich und steuerte auf die Haustür der Kirschners zu. Er pfiff eine Melodie, die beiden Polizisten bekannt vorkam. Ein Kinderlied.
    „Ich glaube das ist der Bruder von dem Kleinen”, sagte der jüngere Polizist. „Scheinbar weiß der noch überhaupt nicht, was passiert ist.”
    „Oh Gott”, stöhnte der Ältere. „Am besten wir gehen noch einmal rein. Aber diesmal redest du, kapiert?”
    Während der drei Minuten, die die beiden Polizisten nun schon aus dem Haus waren, hatte Simons Vater einen kleinen Schlüssel aus einer mit einem Zahlenschloss gesicherten Schreibtischschublade geholt. Er war in den Keller gegangen, hatte den Schlüssel in einen fast mannshohen Metallschrank gesteckt, ihn langsam im Schloss gedreht und die Tür des Schrankes geöffnet. Er stand vor dem offenen Waffenschrank als er die Türklingel hörte. Er schloss ab, ließ den kleinen Schlüssel in seine Hemdtasche fallen und ging langsam die schmale Treppe

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