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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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Er zog es heraus und diesmal war es nicht seine eigene Nummer. Es war Sven Polmeyer
    „Hi Lukas.”
    „Hi Sven.”
    „Okay … also ich weiß zwar immer noch nicht, worum es geht, aber ich hab mal meinen Bruder gefragt, ob du ihm was schicken kannst. Und er hat gemeint, du kannst. Dafür ist allerdings ein Kasten Bier fällig. Am liebsten Rothaus.”
    „Super, echt super. Ich dank dir! Geht der Kasten an dich oder an deinen Bruder?”
    „An mich.”
    „Aber sollte nicht der, der die Arbeit hat… ”
    „Ich hatte ja auch Arbeit, ich habe ihn ja gefragt.”
    „Okay, wie du meinst. Wo soll ich das Zeug hinschicken zum analysieren? … also das schwarze Zeug, nicht das Bier.”
    Sven gab Lukas die Adresse und verabschiedete sich mit der Begründung, er habe gerade eine Pizza im Ofen. Lukas wünschte guten Appetit und ging zum Kühlschrank. Er holte die Probe der schwarzen Masse aus dem Gefrierfach. Das Zeug sah aus wie vorher. Es schien nicht einmal richtig gefroren zu sein, ließ sich immer noch zusammendrücken. Zur Sicherheit packt Lukas den Beutel mit dem Zeug in einen weiteren Gefrierbeutel – nicht dass da was auslief. Wer konnte schon wissen, wie sich die Konsistenz der Masse auf dem Weg zum Labor noch entwickeln würde.
    Lukas legte die doppelt verpackte Probe auf die Küchentheke, wusch sich die Hände und machte sich auf die Suche nach einem Pappkarton. Notfalls würde es auch ein dicker Briefumschlag tun. Fündig wurde er in einem kleinen, fensterlosen Raum, der vom Wohnzimmer abging. Eine Rumpelkammer voller Kartons, Fotoalben und vertrockneter Adventskränze, höchstens vier Quadratmeter groß. Lukas musste schlucken, als er ein kleines, feuerwehrrotes Kinderfahrrad sah, das an einer Wand lehnte. Es sah altmodisch aus, stammte aus einer anderen Zeit. Neben dem Fahrrad lagen zwei abmontierte Stützräder. Vielleicht war das Mädchen gerade in der Zeit getötet worden, als es anfing, ohne Stützräder zu fahren.
    Lukas spürte, wie seine Augen feucht wurden, in ihm stieg Wut auf. Wut auf das Wesen, das die Tochter der Schneiders getötet hatte … und das um ein Haar auch seinen kleinen Bruder gekriegt hätte. Lukas wischte sich die Augen mit dem Ärmel seines Kapuzenpullis, zog die Nase hoch und kniete sich vor das winzige Fahrrad. Am Lenker war eine kleine Hupe mit einer aufgemalten gelben Blume. Lukas drückte auf den Gummiball aber es kam kein Geräusch. Stattdessen riss der spröde, fast ein halbes Jahrhundert alte Kunststoff. Die Blume war kaputt.
     

7. Totholz
     
    Während Lukas einen Karton mit zusammengeknüllten Zeitungen ausstopfte, etwas hineinlegte, den Karton zuklebte und beschriftete, weinte drei Kilometer entfernt eine Mutter um ihr Kind. Die Dreißigjährige lief durch das Haus, lief vom Wohnzimmer in die Küche, lief ins Badezimmer, setzte sich auf den Rand der Badewanne, stand wieder auf, rannte ins Kinderzimmer, legte sich auf das Bett ihres toten Kindes, stand auf, rannte ins Wohnzimmer, schrie den Mann an, der wie versteinert auf der Wohnzimmercouch saß und ins Leere starrte, rannte in die Küche, zerschmetterte drei Teller, weinte, weinte, weinte. Dann saß sie neben ihrem Mann im Wohnzimmer, verbarg das Gesicht in den Händen und fragte ihn, was sie nun tun sollten … irgendetwas musste man doch tun können. Aber der Mann, mit dem sie seit zehn Jahren verheiratet war, saß nur da und antwortete nicht. Seine Schultern zitterten und er starrte ins Leere. Er war zum Bersten gefüllt mir kaltem Schmerz, mit größter Anstrengung hielt er sich zusammen. Eine Bewegung nur, ein Wort nur und er würde in tausend Stücke zerbrechen. Wie durch einen dichten Nebel hindurch hörte er, dass seine Frau etwas zu ihm sagte. Dann ging sie aus dem Zimmer und irgendwo – tausende von Kilometern entfernt – wurde eine Tür zugeworfen. Und dann versagten seine Kräfte, der Mann zerbrach. Er fiel auf den Boden, krümmte sich zusammen, zog die Knie ans Kinn und brüllte so laut, dass es die Nachbarn hörten.
    Zwei Minuten später standen drei von ihnen vor der Tür, zwei Frauen und ein Mann. Sie wussten bereits, was mit Simon war. Sie klingelten und niemand öffnete. Sie hämmerten an die Tür und der Mann – ein schwerer und breitschultriger Mann, der sich viel auf seine Körperkraft zugute hielt – bot an, sie einzutreten. Doch dann kamen Schritte, Simons Vater war vom Boden aufgestanden und hatte sein zerknittertes Hemd in die Hose gestopft. Er öffnete die Tür und sagte, dass alles in

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