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Die Knochenfrau

Die Knochenfrau

Titel: Die Knochenfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Susami
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    Lukas hatte das Päckchen abgegeben: Versicherter Versand für 6,90 Euro. Die freundlich-förmliche Frau am Schalter hatte ihm versichert, dass es spätestens übermorgen am Bestimmungsort eintreffen würde. Sie hatte tatsächlich „Bestimmungsort” gesagt.
    Zum Glück war die Post noch dort, wo sie war, als Lukas aus Rothenbach wegzog. Die Filiale war allerdings etwas kleiner geworden. Man hatte die Hälfte des Raumes abgeteilt und darin war nun ein kleines Schreibwarengeschäft. Lukas kaufte einen karierten A4-Block und eine Packung Fineliner.
    Als er wieder in seinem Wagen saß, sich eine Zigarette angezündet hatte und gerade den Motor starten wollte, da hörte er seinen Magen knurren. Die Banane vorhin hatte nicht satt gemacht. Lukas stieg aus, schloss den Wagen ab und ging die Hauptstraße entlang. Vorhin war er an einem kleinen Pizza- und Döner-Laden vorbeigekommen. Er hatte auf der Glasfront die großen, viel zu bunten Bilder der Köstlichkeiten gesehen, die der Laden unters Volk brachte. Lukas rüttelte an der Tür, es war abgeschlossen. Er klopfte an die Scheibe und im Inneren des Ladens tauchte ein Mann mit schwarzem Schnauzbart und weißer Schürze auf. Er machte abwehrende Handbewegungen und schüttelte den Kopf. Also ging Lukas zurück zu seinem Wagen und fuhr zum Haus der Schneiders. Er machte einen kleinen Umweg, fuhr an der Stelle vorbei, an der er vorhin mit seiner ersten Liebe gesprochen hatte. Der Bürgersteig war abgesperrt und ein Polizeiwagen stand herum, darin zwei Beamte. Auf dem Bürgersteig ein paar verbliebene Schaulustige, mehrere Fotografen und ein Kamerateam. Sie warteten darauf, dass man den Jungen aus dem Wald trug.
    Lukas überlegte, ob er anhalten sollte, entschied sich dann dagegen. Er bog rechts ab, kam auf die Hauptstraße, bog in den Heidweg und dann in den Zähringerweg. Als er gerade an der alten Malzfabrik vorbei war, bemerkte er etwas Seltsames. Auf dem Bürgersteig saß das Mädchen, das er heute schon einmal gesehen hatte. Kurze schwarze Haare und der Bundeswehrparka, für den es fast schon zu warm war. Um sie herum standen vier Jugendliche, drei Jungs und ein Mädchen. Es sah aus, als hätten sie die auf dem Boden Sitzende umzingelt. Sie standen viel zu dicht, das alles sah nach Gewalt aus. Lukas machte langsam und sah, wie einer der Jungs seine brennende Zigarette auf das am Boden sitzende Mädchen fallen lies. Sie prallte von ihrer Schulter ab, fiel auf den Asphalt und rollte in den Rinnstein. Das Mädchen rührte sich nicht. Lukas trat auf die Bremse, brachte den Wagen zum Stehen, zog den Zündschlüssel ab und schwang sich auf den Asphalt.
    „Was ist denn hier los?”, fragte Lukas und versuchte, möglichst gelassen zu klingen. „Gibt es irgendein Problem?”
    „Wenn es eins gibt, dann ist es nicht deins.” antwortete einer der drei Jungs. Lukas schätzte ihn auf sechzehn oder siebzehn. Er war der Kleinste der Gruppe. Und er war der, der die Zigarette hatte fallen lassen.
    „Ist alles okay mit dir?” wandte sich Lukas an das Mädchen, das auf dem Boden saß. Sie antwortete nicht. Stattdessen wieder der Kleine. Er spielte den Anführer.
    „Alles okay bei uns, Mann. Wir unterhalten uns nur 'n bisschen. Du kannst einfach wieder in dein Auto steigen und abhauen.”
    Lukas machte einen Schritt auf die Gruppe zu und sah sich die Typen genauer an. Okay, der Kleine war der Wortführer. Die beiden anderen Jungs sahen im Grunde harmlos aus. Einer war groß und dicklich. Der Andere schmal und blass, Typ Mitläufer. Das Mädchen sah brav aus … normale Frisur und unauffällige Kleidung, rosa Lippenstift. Gefahr ging von dem Kleinen aus, vielleicht noch von dem Großen mit den überschüssigen Pfunden. Wieder wandte sich Lukas an das am Boden sitzende Mädchen.
    „Am besten, du stehst jetzt auf. Ich fahr dich nach Hause.”
    Sie schaute geradeaus und antwortete nicht. Sofort war der Kleine zur Stelle.
    „Die steigt nicht zu jedem ins Auto. Wer weiß schon, was du für einer bist. Nachher bist du so ein Perverser.”
    „Mach dir da mal keine Sorgen”, antwortete Lukas. Er trat einen Schritt vor und wollte der am Boden Sitzenden die Hand hinstrecken. Da machte der Dicke einen Schritt und versperrte ihm den Weg. Lukas brachte Abstand zwischen sich und den Dicken. „Immer mit der Ruhe. Ich bin nicht auf der Suche nach Streit.”
    „Du sagst uns, dass wir ruhig sein sollen?”, rief der Kleine, lauter und schriller als gerade eben noch. „Wer

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