Die Knochenfrau
machst du diese Sache mit dem Blut weiter … oder wie?”
„Ja, ich mache das jetzt weiter … obwohl ich nicht weiß, ob das wirklich etwas bringt.”
„Und wo verdammt kriegst du das Blut her?”
„Also ich hab das erst einmal gemacht … und das Blut hab ich aus meinem Unterarm.”
„SCHEISSE LUKAS, BIST DU BESCHEUERT? DU NIMMST DIR SELBST BLUT AB?”
„Jetzt beruhige dich mal. Was soll ich denn sonst machen? Soll ich ins nächste Krankenhaus einbrechen und Blutkonserven klauen?”
„Das ist doch total krank. Der Herr Schneider hat Schweineblut genommen.”
Fast musste Lukas lachen. Er beherrschte sich.
„Das hat er wahrscheinlich erzählt, damit ihr ihn nicht gleich in die Psychiatrie sperrt. Aber das Blut war immer von ihm und von seiner Frau. Das weiß ich mit Sicherheit.”
Nadine sagte nichts. Sie biss sich auf die Lippe, schaute durch Lukas hindurch und knetete ihre Hände. Lukas nahm einen Schluck Kaffee und biss in sein Marmeladenbrot.
„Okay Lukas, ich versuch mal, dich nicht für verrückt zu halten … auch wenn ich gerade eben gedacht habe, dass es besser wäre, wenn ich meine Waffe hier hätte. Wenn du also das mit dem Blut machst … dann glaubst du also, dass im Wald irgendein Monster ist?”
„Ich würde nicht Monster dazu sagen … aber ich glaube tatsächlich, dass hier in der Gegend von Rothenbach irgendein Wesen lebt, das für Kinder gefährlich sein kann. Erinnerst du dich noch an meinen Bruder?”
„Ja … aber nur schwach.”
„Also … mein Bruder hatte als Kind eine Art traumatisches Erlebnis, er war deshalb auch beim Psychologen und alles. Er wurde auf einem Pfad hinter unserem Haus von irgendeinem Wesen angegriffen, das er später als menschenähnlich aber nicht menschlich beschrieben hat. Erinnerst du dich auch noch an Peter?”
„Welcher Peter denn?”
„Mit dem war ich in einer Klasse, in der Grundschule. Das war so ein Kleiner mit Locken. Der war irgendwann verschwunden und als er wieder auftauchte, da hat er nicht mehr gesprochen. Und ich vermute, dass er auch angegriffen wurde, vielleicht von dem gleichen Wesen, und dass daher dieser Schock kam. Du musst dich doch daran erinnern, da wurde damals im ganzen Ort drüber gesprochen.”
„Ja okay, ich hab das damals-” Lukas unterbrach sie. Die Worte drängten aus ihm heraus. Endlich konnte er jemandem alles erzählen.
„Und jedenfalls, als damals das mit meinem Bruder passiert ist, da habe ich das alles den Schneiders erzählt. Und die waren die Einzigen, die das ernst genommen haben … und zwar deswegen, weil ihre eigene Tochter im Wald umgebracht wurde, ungefähr an der gleichen Stelle, an der auch mein Bruder angegriffen wurde. Das kann man alles nachlesen, das war in der Zeitung. Und dann haben die Schneiders das mit dem Blut angefangen und in der Zeit, in der sie das gemacht haben, ist so weit ich weiß auch keinem Kind mehr etwas passiert. Und dann, als Herr Schneider gestorben ist, da kam auch wieder ein Kind ums Leben. Vielleicht wäre gar nichts passiert, wenn ich einen Tag früher in Rothenbach gewesen wäre und gleich das mit dem Blut gemacht hätte.”
Lukas merkte, dass an dieser Version etwas nicht stimmte. Aber so wie er es erzählt hatte, klang es irgendwie plausibler. Trotzdem sah Nadine nicht aus, als würde sie ihm glauben. Lukas kam ein Gedanke.
„Du hast doch die Leiche gesehen, oder? Wie sah der Junge aus?”
Als sie nicht antwortete, da sagte er:
„Du hast zu mir gesagt, der Junge war übel zugerichtet. Sah das aus, als hätte das ein Mensch getan? Oder irgendetwas anderes?”
„Okay … jetzt mal langsam. Das wird mir gerade etwas zu strange hier.”
Lukas lehnte sich zurück und atmete durch. Er hörte sein Herz schlagen und konnte die Füße nicht stillhalten. Seine Zehen trommelten lautlos auf den Küchenfliesen.
„Also das sah eher nicht wie von einem Menschen aus”, sagte Nadine. Sie sagte es leise, eher zu sich selbst als zu Lukas.
„Und bei der Tochter der Schneiders sah das eben auch aus, als hätte das ein Tier gemacht”, fügte Lukas hinzu.
„Vielleicht war es ja irgendein Tier.”
„Das glaub ich ja auch, irgendein Tier … irgendein Wesen. Aber eben kein Mensch. Warte mal kurz, ich hol dir mal den Brief, den mir Herr Schneider geschrieben hat.”
Lukas ging in den Flur und kam mit den drei Blättern wieder. Nadine schob ihren Teller zur Seite und er legte die Papierbögen vor sie auf den Küchentisch. Lukas setzte sich und wartete, bis sie die
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