Die Knochenkammer
vorstellen, unter welchem Druck sie stand, falls die ganze Zeit jemand versucht hat, sie zu ermorden.« Bellinger zögerte, dann sah er Mike und Mercer an. »Sagen Sie es mir? Darf ich wissen, wie sie gestorben ist?«
»Höchstwahrscheinlich Gift.«
Er zog einen Stuhl heraus, setzte sich, legte den Kopf in den Nacken und studierte einen Wasserspeier in der Deckenwölbung. Das Letzte, womit ich gerechnet hatte, war, dass er zu lachen anfing.
»Ich hoffe nur, dass es nicht Arsen war. Ich habe genug von dem Zeugs hier, um uns alle unter die Erde zu bringen.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Katrina Grooten hier am Museum mit Arsen gearbeitet hat?«
Jetzt wurde Bellinger nervös und sah aus dem Fenster, als würde er nördlich des dichten Verkehrs auf der GeorgeWashington-Brücke nach etwas suchen.
»Nein, nein, ich könnte nicht sagen, dass das der Fall war.«
»Aber viele der anderen Mitarbeiter?«, fragte Chapman.
Er überlegte. »Nicht viele. Höchstens vier, die meiner direkten Aufsicht unterstehen. Sie werden Ihnen alle erzählen, dass ich derjenige bin, der es am häufigsten verwendet.«
»Warum? In welcher Form?«
»Mein Spezialgebiet sind illustrierte Handschriften.« Er stand auf und ging zu den aufgeschlagenen Büchern, die er bei unserem Eintreffen beiseite geräumt hatte. »Seit den Anfängen der Klöster war die Herstellung von Büchern eine der Hauptaufgaben, die die Mönche für die Kirchengemeinde leisteten. Jedes Kloster hatte ein so genanntes Scriptorium, eine Schreibstube, wo Kopisten und Illustratoren die Klassiker abschrieben und illustrierten. Wir haben hier in unserer Schatzkammer eine einzigartige Sammlung dieser exquisiten Bücher.«
Bellinger nahm ein Buch und kam damit an unseren Tisch. »Mit Sicherheit unser wertvollster Besitz. Vielleicht haben Sie schon davon gehört. Die Beiles Heures.«
»Nur aus dem Museumskatalog.«
»Dieses hier wurde im Inventar des Herzogs von Berry von 1413 beschrieben. Diese Bücher wurden von Mönchen für reiche Förderer und Königsfamilien hergestellt, die ihre Gebete zu den gleichen Stunden sagen sollten wie die Mönche - deshalb Stundenbücher.«
Die zwei Seiten, die er uns zeigte, waren am Rand des Texts reichhaltig mit Goldblatt verziert. Es waren herrliche Zeichnungen in lebhaften Farben, und ich studierte die Seiten, bevor ich Mike und Mercer einen Blick darauf werfen ließ.
»Wie kommt es, dass dieses Buch in so gutem Zustand ist?«, fragte ich.
»Bücher erlitten immer weniger Schaden als beispielsweise Wandteppiche. Man konnte sie nicht zu Bouillon einschmelzen wie Juwelen oder Goldstücke, also hatten sie in den Augen von Dieben und Banditen wenig Wert. Nur ihre Farben verblassen im Laufe der Zeit, und wir restaurieren sie hier. Das ist meine Lieblingsbeschäftigung.«
»Und die Materialien?«
»Wir versuchen zu imitieren, was man im Mittelalter gemacht hat.« Bellinger deutete auf einen Abschnitt der eleganten Seite. »Das Goldpulver für diese ausgefeilten Zeichnungen wurde hergestellt, indem man Gold mit Honig verrieb und dann mit Eiweiß vermischte. Schwarz kam von einer Tinte auf Kohlenbasis. Blau wurde auf verschiedene Arten hergestellt. Das teuerste Blau war natürlich gemahlener Lapislazuli oder Indigo gemischt mit Bleiweiß - was selbst sehr giftig ist. Und Gelb - da kommt das Operment ins Spiel. Anfänglich verwendeten die Mönche Safran zur Herstellung eines gelben Pigments. Aber es war nicht sehr beständig.«
»Was ist Operment?«
»Eine Arsenverbindung, Detective. Sehr verbreitet, um ein kräftiges Gelb zu erzeugen. Auf der Seite, die Sie sich gerade ansehen, können Sie sehen, wie effektiv es ist. In unserer Werkstatt unten haben wir mehr als genug, um jemanden ziemlich krank zu machen.«
»Ist es weggeschlossen?«
»Sie meinen, hinter Schloss und Riegel? Natürlich nicht.
Niemand interessiert sich großartig für unseren kleinen Restaurierungsbereich. Diese Art von konzentrierter Arbeit begeistert die wenigsten.«
»Hatte Ms. Grooten Zugang zu diesem Raum?«
Bellinger dachte kurz nach. »Natürlich. Aber sie hatte normalerweise nicht die Angewohnheit, Pinsel abzulecken, Mr. Chapman.« Er wurde langsam ungeduldig.
»Napoleon hat auch nicht an seiner Tapete gekaut.«
»Wie bitte?«, fragte der verdutzte Kurator.
»Man fand Arsen in Napoleons Haarlocken. Eine ganze Menge. Es gab Vermutungen, dass er vergiftet worden ist, aber auch abenteuerliche Theorien, dass er von den Dämpfen der Tapetenfarbe in seinem
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