Die Knochenkammer
verewigen. Katrina hat diese Grabskulpturen in Frankreich studiert. Berühmte zeitgenössische Steinmetze entwarfen diese Skulpturen und führten das Wappen des Auftraggebers und die Kostüme und Besitztümer ihrer Damen absolut detailgetreu aus.«
»Was genau hat Katrina gemacht?«
»Alles hier im Museum, einschließlich der Mauern dieser Kapelle, wurde als Ruinen in Europa gekauft und hier wieder aufgebaut. Von einigen Stücken lässt sich die Herkunft leicht bestimmen, wohingegen andere nur einzelne Steinbrocken waren aus der Zeit, als die Klöster im Laufe der Jahrhunderte geschlossen wurden. Dieser arme Kerl hier«, sagte Bellinger und bückte sich, »wurde mit dem Gesicht nach unten gefunden. Man benutzte ihn als Teil einer Brücke zur Überquerung eines Alpenflusses.«
Ich kniete mich neben Bellinger und strich mit der Hand über die riesige schwarze Platte, die die Figur eines betenden Mannes trug.
»Katrina studierte die Kunstform, ermittelte, wer die Bildhauer waren und wie man einen bestimmten Stil erkennen oder verwandte Merkmale identifizieren konnte. Wir müssen andauernd unsere Bestände verifizieren, um zu wissen, wann wir wertvolle Stücke kaufen sollen, falls sie in Europa zum Verkauf angeboten werden.«
Ich ging im Raum umher und besah mir die Figuren, in deren Gesellschaft Katrina Grooten ihre Tage verbracht hatte.
»Diese Sarkophage«, sagte ich und deutete auf die vielen, teilweise übereinander angeordneten Särge an den Wänden. »Sind davon noch mehr im Lager?«
»Haufenweise.«
»Hier?«
»Manche hier und manche im Met. Das Untergeschoss dort ist riesig.«
»Gäbe es einen Grund, dass Katrina einen Sarkophag hier heraufbringen ließ? Ich meine, von Perioden außerhalb des Mittelalters.«
»Sie hat es getan, um einen Stilvergleich machen zu können. Um Wissenschaftlern zu helfen, die erforschen, wie sich die Grabkunst im Laufe der Jahrhunderte verändert hat.«
»Haben Sie jemals ägyptische Stücke hier gehabt?«, fragte Mike.
»Es würde mich nicht wundern. Es werden laufend Sachen vom Met angeliefert.«
Mercer wollte in eine andere Richtung. »War Ms. Grooten während ihrer Zeit hier in irgendwelche Kontroversen verwickelt gewesen?«
Bellinger drehte sich um, um uns wieder zum Ausgang zu geleiten. »Nicht dass ich wüsste. Sie bewegte sich normalerweise nicht auf der Ebene, um sich mit den hohen Tieren am Met anlegen zu können. Das Bestiariumsprojekt war eine Ausnahme, und da war sie ja nur an meiner Stelle in dem Komitee. Ich hätte nicht erwartet, dass sie jemandem auf den Schlips treten würde.«
Mercer blätterte im Gehen in der Akte. »Was bedeutet dieser Hinweis hier auf das >Flohmarktfiasko< vor zwei Jahren in einem Memo, das Sie an Thibodaux adressiert haben?«
Bellinger blieb stehen. »Die jungen Wissenschaftler sind so idealistisch. Es war keine große Sache. Katrina musste nur dazu gebracht werden, die wirtschaftliche Seite der Museumsarbeit zu verstehen.«
Ich wiederholte Mercers Frage. »Worum genau ging’s in dem Fiasko?«
»Wir erfuhren -«
»Wer ist wir?«
»Ich war mit Pierre Thibodaux und Erik Poste auf einer Tagung in Genf gewesen. Dort ging das Gerücht um, dass auf einem örtlichen Flohmarkt ein ungewöhnlicher Fund gemacht worden war. Eine kleine mittelalterliche Elfenbeinschnitzerei von einem Hund, der ein Kaninchen jagt, sehr ähnlich der großen Version da draußen im Mauerwerk.«
Bellinger ging ein paar Schritte. »Ich wollte es natürlich haben. Und Thibodaux war willens, den Preis zu zahlen.«
»War Katrina auch dabei?«
»Nein, aber die Museumswelt ist klein. Sie hörte von dem Gerücht, noch ehe ich zurückkam. Jedenfalls versuchten wir, die Elfenbeinschnitzerei zu kaufen, aber es war zu spät. Sie war dem Kopenhagener Museum versprochen worden.«
»Welche Rolle spielte Erik Poste dabei?«
»Er war nur wütend wegen der ganzen Feilscherei um das Stück. Poste wollte, dass Pierre das Geld für seine Abteilung ausgab, für ein großes Porträt oder einen Künstler wie Bazille, der in der Sammlung des Met unterrepräsentiert ist. Nicht für ein fünfzehn Zentimeter großes Stück Walrossstoßzahn, für ein kleines Kaninchen, das mir wichtig war. Wir stritten uns, aber das tun wir die meiste Zeit. In unserem Geschäft kann man nicht nachtragend sein, Ms. Cooper.«
»Und die Schnitzerei?«
Der einsiedlerische Gelehrte lächelte. »Einer von Thibodaux’ Lieblingsschmugglern -«
»Schmugglern?«
»Ja, Ms. Cooper, Sie haben richtig
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