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Die Knochenkammer

Titel: Die Knochenkammer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Fairstein
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noch am selben Tag mit Lloyd darüber, und er ging zu ihr, um sie zu beruhigen. Er sagte ihr, dass er vollstes Verständnis hätte. Ehrlich gesagt hatte es wahrscheinlich viel damit zu tun, dass sie in Südafrika aufgewachsen war. Katrina versuchte sich einzureden, dass sie keine rassistischen Vorurteile hatte. Ihre Familie lebte seit Generationen in Kapstadt, und sie sprach hin und wieder über die schrecklichen Folgen der Apartheid für ihre Gesellschaft. Sie hätte wahrscheinlich nie in einem Fall als Zeugin aussagen können, in dem ein Schwarzer ins Gefängnis gewandert wäre, egal, was er ihr angetan hatte.«
    »Aber letztendlich hat sie doch gekündigt?«
    »Einige Monate später, um die Weihnachtsfeiertage herum. Ich habe ihr Kündigungsschreiben in ihrer Akte gefunden.« Er ging an seinen Schreibtisch. »Sie wollte unbedingt noch vor Neujahr die Stadt verlassen. Wenn mich nicht alles täuscht, wurde für die Tage, an denen sie abreisen wollte, ein heftiger Schneesturm vorhergesagt. Es überraschte uns nicht, dass sie abfliegen wollte, bevor sie hier festsaß.«
    Mike Chapman sah mich an und verdrehte die Augen.
    »Ja, Ms. Cooper beschloss, währenddessen ihren Winterschlaf zu halten, richtig? Sie wäre beinahe nicht mehr aufgewacht.«
    Ich hatte versucht, die Erinnerungen an meine Begegnung mit einem eiskalten Mörder im letzten Dezember aus meinem Gedächtnis zu verbannen. Mercer lenkte das Gespräch wieder in die richtige Bahn. »Haben Sie von August, als sie Ihnen von der Vergewaltigung erzählt hat, bis Jahresende eine Veränderung in ihrem Verhalten festgestellt?«
    »Jeder, den ich kannte, änderte sein Verhalten, Mr. Wallace. Nach dem elften September.«
    Ich sog die Luft ein und biss mir auf die Lippen, als ich an die Terroranschläge und ihre verheerenden Folgen dachte.
    »Vielleicht habe ich deswegen Katrinas Sorgen bagatellisiert. Wir waren alle so geschockt, so ängstlich und mit uns selbst beschäftigt. Nur dass sie sich nie erholte. Dieser Vorfall mit Lloyd. Ihr mangelnder Elan, ihre allgemeine Malaise.«
    »Welche Malaise?«
    »Ihnen muss ich sicherlich nicht erzählen, was nach einer Vergewaltigung passiert. Katrina war danach nicht mehr dieselbe. Sie vertraute niemandem mehr. Sie konnte nicht mehr bis spät abends hier bleiben und arbeiten. Der Weg zur Arbeit fiel ihr schwer, weil sie nicht mehr durch den Park gehen oder radeln wollte, aber sie hatte auch kein Geld, um jeden Tag mit dem Taxi zu fahren. Wie nennt man das? PTSD?«
    Posttraumatische Belastungsreaktion, posttraumatic stress disorder. Viele Opfer von Gewaltverbrechen litten monate- oder sogar jahrelang darunter. Die Symptome reichten von Schlaflosigkeit und Essstörungen bis hin zu Gewichtsverlust und Funktionsstörungen jeglicher Art. Dutzende von Überlebenden erholten sich schnell; die Erinnerung blieb, aber sie hatten die emotionalen und körperlichen Ressourcen, um ihr Leben weiterzuleben. Viel zu viele Menschen blieben ohne psychischen Beistand und erlangten auch Monate oder sogar Jahre nach der Tat die Stabilität ihres früheren Lebens nicht wieder.
    »Wer hat Ihnen davon erzählt?«
    »Ihre Therapeutin. Sobald Katrina sich mir anvertraut hatte, fragte ich sie, ob ich mit der Frau sprechen könnte, die ihr half, mit der Vergewaltigung fertig zu werden.«
    »Wissen Sie, wie sie heißt?« In der Akte, die Mercer eingesehen hatte, stand, dass Katrina Grooten keinen psychologischen Beratungstermin zur Nachsorge haben wollte.
    Bellinger stand noch immer am Schreibtisch und blätterte in seiner Rolodex-Kartei. »Loselli. Harriet Loselli. Möchten Sie Ihre Nummer?«
    »Die hab ich«, sagte Mike. »Ich würde gerne einmal etwas anderes von ihr hören als dieses weinerliche >Ihr Polizisten seid alles unsensible Mistkerle<-Gewäsch, das jedes Mal aus ihrem kleinen Rattenmund kommt, wenn einer von uns mit einem Opfer in der Notaufnahme erscheint.«
    Fast alle Krankenhäuser der Stadt verfügten über hervorragende Beratungsstellen für Vergewaltigungsopfer, die von erfahrenen Psychologen und Sozialarbeitern geleitet wurden und rund um die Uhr von ehrenamtlichen Helfern besetzt waren. Wie war Katrina ausgerechnet an Harriet geraten? Sie war eine unsympathische und unwissende Egoistin und hatte sich wahrscheinlich nicht mit der nötigen Sorgfalt um Katrina Grootens Probleme gekümmert.
    »Haben Sie tatsächlich mit Loselli gesprochen?«
    »Ja, Katrina erteilte mir die Erlaubnis.«
    »Über ihre psychologischen Probleme?«
    »Nicht

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