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Die Knochenleserin

Die Knochenleserin

Titel: Die Knochenleserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iris Johansen
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dauernd von Wundbrand.«
    Sie seufzte. Manipulation? Wahrscheinlich. Aber es funktionierte, verdammt. »Okay, Miguel.« Sie ging zur Rezeption. »Und legen Sie sich auf die Lauer, wo immer es Ihnen beliebt.«
    »Sie haben mich noch gar nicht gefragt, wo Montalvo sich aufhält«, rief er ihr nach.
    »Stimmt.« Sie sah über die Schulter. »Und zum Abendessen sind Sie eingeladen. Montalvo nicht.«
     
    »Ich hatte mir schon überlegt, ob ich runterkommen und mich einmischen sollte«, sagte Jane, als Eve das Zimmer betrat. »Mein Taktgefühl hat seine Grenzen. Du weißt doch, dass ich nicht widerstehen kann, jedes Durcheinander zu entwirren, auf das ich stoße.«
    »Es ist kein Durcheinander.« Was sagte sie da? Natürlich war es das. »Vielleicht doch. Jedenfalls ist es allein meine Aufgabe, es zu entwirren.«
    »Na dann, viel Glück. So habe ich Joe noch nie erlebt«, sagte Jane. »Als könnte er jeden Moment hochgehen.«
    Das war auch Eves Gedanke gewesen. Wieder einmal wurde ihr bewusst, wie ähnlich sie und Jane sich waren. »Es ist eine schwierige Zeit für ihn.« Plötzlich war sie ungeduldig. »Für mich allerdings auch. Wir müssen uns damit auseinandersetzen. Er kann nicht einfach wegfahren und mich –«
    »Schsch.« Jane schüttelte den Kopf. »Du kannst dich später damit auseinandersetzen. Du hast die ganze Nacht nicht geschlafen, und deine Nerven liegen blank. Schlaf ein bisschen, danach essen wir zu Abend und reden darüber.« Sie wies mit dem Kopf zum angrenzenden Raum. »Das ist dein Zimmer. Geh unter die Dusche und gönn dir wenigstens ein paar Stunden Ruhe.«
    »Erst muss ich Carrie aufbauen.«
    »Ich hab den Schreibtisch da drüben schon vorbereitet.« Jane lächelte. »Ich wusste, dass du Carrie nicht länger als unbedingt nötig in der Schachtel lassen würdest. Aber ich denke, du solltest sie lieber zudecken, wenn der Zimmerservice kommt. Es könnte den Kellner ein wenig nervös machen.«
    »Zumal im Moment die ganze Stadt wegen Jedroths Tod ziemlich nervös sein dürfte.« Sie öffnete Carries Schachtel, nahm den Schädel behutsam heraus und stellte ihn auf den Schreibtisch. Die Arbeitsbedingungen waren nicht gerade ideal, aber das bereitete ihr keine Probleme. Sie legte das Tuch über die Rekonstruktion und ging zur Tür ihres Zimmers. »Wir treffen uns um sechs mit Miguel Vicente zum Abendessen.«
    »Vicente?« Jane runzelte die Stirn, als sie versuchte den Namen einzuordnen. »Montalvos Freund?«
    »Freund, Stellvertreter, sein schlechtes Gewissen. Miguels Beziehung zu Montalvo lässt sich nur schwer beschreiben. Auf jeden Fall stand er plötzlich in der Lobby und hat mir erklärt, er sei zu unserem Schutz abgestellt und würde dich gerne kennenlernen.«
    »Interessant. Heißt das, ich werde auch Montalvo kennenlernen?«
    »Nein. Irgendwann sicherlich, aber ich werde es so lange wie nur irgend möglich hinausschieben. Mit Montalvo möchte ich mich im Moment wirklich nicht beschäftigen.« Sie schloss die Tür und ging ins Bad. Sie wollte sich genauso wenig mit Miguel beschäftigen, aber seine Hilfe abzulehnen würde nur dazu führen, dass Montalvo selbst auf den Plan trat. Abgesehen davon würde sie, auch wenn sie nicht glaubte, selbst einen Beschützer zu brauchen, Schutz für Jane nie zurückweisen. Eigentlich hätte sie darauf bestehen sollen, dass Jane in Atlanta blieb, aber sie war nicht in der Verfassung gewesen, sich mit ihr anzulegen. Nein, in Wahrheit war sie sehr erleichtert, Jane bei sich zu haben. Niemand verstand sie so gut wie Jane, und mit ihr zusammen zu sein war ein großer Trost. In der derzeitigen Situation gab es sonst niemanden, der sie hätte beruhigen und trösten können.
    Nicht einmal Joe.
    Sie hätte sich denken können, dass Joe alle Informationen über Kistle für sich behalten würde. In den vergangenen Monaten hatten sie den Graben teilweise überbrücken können, der sich zwischen ihnen aufgetan hatte, noch bevor sie nach Kolumbien gegangen war. Aber der Abgrund blieb, und Joes jüngster Versuch, sie außen vor zu lassen, machte die Sache auch nicht besser.
    Aber sie konnte sich jetzt nicht mit Beziehungsproblemen verrückt machen. Sie stieg in die Dusche und drehte das Wasser auf. Was geschehen war, war geschehen. Sie war hier und Kistle ebenso. Wie viele Kilometer mochten das Hotel vom Clayborne Forest trennen?
    Für dich, Eve.
    Ein Schauer lief ihr über den Rücken.
    Ob diese beiden Männer auch gestorben wären, wenn Kistle ihr keine Botschaft hätte

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