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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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sich ergehen. Genauso wie der Doge Pietro Dandolo war er allerdings der Meinung, dass die böhmische Baukunst der Schönheit einer venezianischen Kirche, und schon gar nicht des Markusdoms, auch nur annähernd das Wasser reichen konnte – auch wenn der Baumeister noch so sehr beteuerte, die Kathedrale werde nach französischem Muster erbaut, angereichert mit bahnbrechenden neuen Konstruktionen. Der Deutsche, dessen schrecklicher Akzent sein Latein verstümmelte, nannte den Baustil Gotik und hörte nicht auf, simple Stützpfeiler als filigran zu preisen oder dort von unvergleichbaren Fensterrosen zu schwärmen, wo bisher nur Löcher im Mauerwerk waren. Sehr bald schon setzte Faliero ein unverbindliches Lächeln auf und beschloss, es sei unter seiner Würde, einem vor Aufregung schwitzenden Dombaumeister seine Aufmerksamkeit zu schenken. Diese lenkte er nun für einen Augenblick auf den ungarischen König Ludwig, den Mann aus dem Haus Anjou, vermählt mit Elisabeth von Polen, Schwester von König Kasimir dem Großen. Der Ungar saß mit geheucheltem Interesse in seiner Sänfte, die soeben von seinen vier Mohren abgestellt wurde. In Falieros Augen war seine zur Schau getragene Männlichkeit lächerlich – mit dem stilisierten Schnauzbart, den tiefroten, feucht glänzenden Lippen und der übertrieben aufrechten Haltung, die lediglich steif wirkte. Ein Leibdiener hatte ausschließlich die Aufgabe, die Goldkrone auf seinem Haupt zurechtzurücken, falls sie verrutschte, dabei war es ihm offensichtlich verboten, mit seinen weißen Handschuhen das pechschwarze schulterlange Haar des Herrschers zu berühren. Der Kragen des Mantels aus den Winterfellen von Hermelinen bedeckte die schmächtigen königlichen Schultern Ludwigs vollständig.
    Faliero kostete es einige Überwindung, sein künstliches Lächeln beizubehalten. Der Ungar war nicht der Einzige, der sich herausgeputzt hatte. Die gesamte Versammlung der edlen Herren auf der Prager Dombaustelle glich einem Aufmarsch von Pfauen, einschließlich des Dogen, mit
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auf dem Haupt und goldenem Brokatgewand um den schmalen Leib. In diesem Augenblick wünschte Faliero sich zurück nach Venedig. Er verspürte ein Ziehen in den Lenden, als er an Aluicha dachte. Bei der Vorstellung, dass sie nun ohne ihn in Venedig tun und lassen konnte, was sie wollte, verspürte er einen Stich. Dann lächelte er grimmig. Nein – sie konnte ganz und gar nicht tun und lassen, was sie wollte. Zum Glück gab es zuverlässige Männer in seinen Diensten. Für einen von ihnen galt nur ein Auftrag: Aluicha auf Schritt und Tritt zu überwachen.

    Karl verbrachte die kurze Zeit, in der er nicht seinen Gästen verpflichtet war, in der Kanzlei. Er hatte sich das Stehpult neben das Fenster stellen lassen. Nun schob der Sekretär, der noch im Raum war, einen Tisch daneben. Aus einer Truhe holte er die schweren, in Leder gebundenen Bücher, in die der König seine Aufzeichnungen schrieb. Er legte die Bücher auf den Tisch, entzündete die Kerzen und Talglichte und verließ dann die Kanzlei.
    Karl blickte hinunter auf die Moldau. Er liebte diese Abendstunde, diese letzten Momente des Lichts. Gott zeigte den Menschen die Vergänglichkeit. Der feuerrote Sonnenball lag auf dem Fluss und floss hinein, so dass es aussah, als wolle er ihn mit einer Mischung aus Blut und flüssigem Gold füllen. Stück für Stück versank das Licht im immer dunkler werdenden Strom. Karl versuchte nicht, dieses tägliche Vergehen zu deuten, das Dunkel danach und die immer wiederkehrende Neugeburt des Lichts am nächsten Morgen. Er, der die Astronomie studiert hatte, blickte bewundernd auf das Schauspiel. Wie klein war er doch, selbst als König, wie winzig sein Leben. Wie unermesslich groß, wie endlos alles um ihn herum. Ohne das Vertrauen und den Glauben an den allmächtigen Schöpfer war der Mensch verloren in der Unendlichkeit.
    Er stellte eine Kerze neben Feder und Tintenfass auf das Pult, öffnete das Buch, das vor ihm lag, und las den Titel, den er seinem Werk gegeben hatte:
Kaiserliches Rechtbuch.
Nach weiterem Umblättern sah er ein kunstvolles Bild, gemalt von einem der Mönche, die als Illustratoren in der Kanzlei arbeiteten. Es zeigte, neben sechs Kurfürsten, ihn selbst in blauer Tunika, als König von Böhmen und als siebten Kurfürsten. Rechts neben ihm, gewandet in helles Rot, mit Schwert und Mitra, blickte der Kölner Erzbischof zu Gott in den Himmel. Karl blätterte weiter und griff nach der Feder. Eigentlich war es

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