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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Kaiser selbst wird Kunde?«
    Cosmas grinste schief. »Im Prinzip, ja. Es ist so: Mein Bruder kennt einen Bediensteten, der ist verwandt mit einem Leibdiener auf dem Hradschin!«
    »Hradschin?«, fragten William und ich gleichzeitig.
    »Das ist die Prager Burg des Kaisers.«
    »Du willst also tatsächlich behaupten, deine Beziehungen reichen direkt bis zum Kaiser?«
    »Nicht ganz«, druckste Cosmas herum. »Es handelt sich um den Leibdiener eines Sekretärs, der in der kaiserlichen Kanzlei arbeitet.«
    William seufzte und sagte: »Ein Drittel. Ein Drittel jeweils für dich, für Cailun und mich. Sonst kannst du den Handel vergessen.«
    Wieder verriet Cosmas’ Mienenspiel, wie angestrengt er nachdachte. Doch schließlich ergriff er endlich Williams ausgestreckte Rechte und schüttelte sie zögerlich.
    »Na gut. Es ist glatter Betrug, und trotzdem geh ich darauf ein.«
    Über Williams Gesicht glitt ein Leuchten. Er wollte Cosmas’ Hand gar nicht mehr loslassen und rief immer wieder: »Gut! Sehr gut! Wir werden reich sein! Reich wie venezianische Kaufleute!«
    Endlich gelang es Cosmas, seine Finger aus Williams Griff zu befreien. Da eilte dieser schon zum Tor.
    »Wir brechen sofort auf!«
    »Wohin?«, fragte Cosmas ratlos.
    »Wohin! Wohin! Zu dem Ort, wo die elftausend Jungfrauenknochen liegen, natürlich!«
    Cosmas hob die Hände. »Bei dem Wetter?«
    Mit einem Mal lauschten wir zu dritt nach draußen.
    »Das Gewitter hat sich verzogen«, grinste William und zerrte das Tor auf. »Wir wollen keine Zeit verlieren.«

33
    »Es geht um Knochen, nicht um Berge …«
    C osmas führte uns an einen verwunschenen Ort. Obwohl hier, wie er versprach, so viele Tote lagen, dass es nirgendwo mehr gab, brodelte es vor Leben wie in einem auf dem Feuer vergessenen Suppentopf. Schlingpflanzen umwanden tausendjährige Eichen und verdeckten ihre Stämme mit vor frischem Grün strotzenden Blättergirlanden. Schmetterlinge tanzten auf Sonnenstrahlen, die durch das Blätterdach fielen, überall wuchs, blühte, wucherte es. Beinahe musste William schreien, um das Vogelgezwitscher zu übertönen.
    »Hier sollen elftausend tote Jungfrauen ruhen? Es platzt aus allen Nähten vor Leben!«
    »Es scheint«, philosophierte Cosmas melancholisch, »als wüchse es sich auf Toten am besten.«
    William nickte und ließ seinen Blick umherschweifen. Wir befanden uns auf einem Hügel, oberhalb Prags, dessen Dächer wir hinter der Mauer aus Bäumen, Büschen, Moos und Flechten erahnten. Mein Vorschlag, sich zunächst in der Stadt einzurichten, um erst danach die Knochen auszugraben, war auf einhellige Ablehnung gestoßen. Cosmas’ und Williams Eifer, mit der – wie sie es nannten – Arbeit zu beginnen, erinnerte mich an eingesperrte Hunde, die man endlich in die Freiheit entlässt. Sie stürmten los, egal wohin – Cosmas und William in diesem Fall bewaffnet mit Schaufel und Hacke, sie brachen die fette Erde auf, als gelte es, an einem einzigen Tag die ganze Welt umzugraben.
    »Hier stehen Steine«, rief ich in das Hacken und Schaufeln hinein.
    Zunächst kam nichts weiter als Schnauben und Ächzen als Antwort, begleitet von den Geräuschen hektischen Grabens.
    »Steine!«, wiederholte ich lauter. »Sie stehen hier.«
    »Na und«, schnaufte William, über seinen gekrümmten Rücken hinweg. »Steine gibt es überall.«
    »Es sind Steinplatten. Darauf ist etwas gekritzelt.«
    William und Cosmas hielten inne. Sie lehnten sich auf ihre Werkzeuge und blickten schwer atmend zu mir herüber, sichtlich verärgert darüber, dass ich es wagte, sie bei ihrer Arbeit zu stören.
    »Ich weiß, dass hier Steinplatten sind«, erklärte Cosmas schließlich. »Es sind Grabsteine. Darin sehe ich nichts Ungewöhnliches. Es ist normal, dass an einem Ort, an dem elftausend heilige Jungfrauen begraben liegen, Grabsteine stehen. Findest du nicht?«
    Ich fuhr mit den Fingerspitzen über den verwitterten Stein. Moos fächerte über Schriftzeichen, die mir gänzlich fremd waren. »Ich wüsste trotzdem gern, was hier steht.«
    Zögernd kamen William und Cosmas näher und gingen schließlich neben mir vor den drei Steinplatten in die Hocke.
    »Granit«, stellte Cosmas fachkundig fest und betatschte einen der Steine.
    »Kannst du die Schrift lesen?«, fragte ich.
    Er rubbelte das Moos von ein paar in die Platte gemeißelten Zeichen. »Das hier könnte
smrt
heißen.«
    »Smrt?«
    »Das böhmische Wort für Tod.«
    »Na also!«, jubelte William und packte die Schaufel fester. »Dann sind

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