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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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begeistert: »Maria und Josef! Maria und Josef! Ihre Hände!«
    Langsam dämmerte mir sein Vorhaben. Ich schnappte nach Luft. »Du willst behaupten …«
    Er nickte euphorisch. »Es wird das Geschäft meines Lebens.« Er verbesserte: »
Unseres
Lebens!«
    »Ich will mit diesem Betrug nichts zu tun haben.«
    William hörte auf, die Knochenhände zu schwenken. Wieder schien er angestrengt nachzudenken. »Wobei … ich glaube … ich habe noch ein Stück.«
    »Ein Stück wovon?«
    »Pergament. Warte.«
    Ich wartete. Was blieb mir anderes übrig. Wieder wühlte er im Knochensack. Als er nach und nach Verschiedenes hervorzauberte – ein Unterhemd, einen Kerzenstummel und ein Stück schimmeliges Brot –, wurde mir klar, dass das Behältnis nicht nur dem Märtyrer Behausung bot, sondern auch Williams persönlichem Besitz. Triumphierend hielt er nun ein fleckiges, vollgeschmiertes Stück Pergament in die Höhe. »Hier! Ich wusste es!«
    »Was willst du mit dem Fetzen?«, fragte ich naserümpfend. Und Brot würde ich von ihm gewiss nicht nehmen, selbst wenn ich verhungerte.
    Eine Weile druckste er herum. »Nun … weißt du … ich dachte, ich habe es ja schon einmal erwähnt …«
    Ich wurde misstrauisch. »Worauf willst du hinaus?«
    »Stell dir vor«, sprudelte es aus ihm heraus, »wir hätten ein Zeugnis.«
    »Ein Zeugnis? Wofür?«
    Wieder wand er sich hin und her, bevor er mit der Wahrheit herausrückte: »Für Maria und Josef.«
    »Und woher sollten wir so etwas bekommen?«
    »Also … ich denke … du, als erfahrene Kopistin … es wäre doch ein Leichtes …«
    Mein
Nein
hallte so laut über das Wasser, dass William erschrak.
    »Kein Grund zu schreien. Überleg doch mal.«
    »Da gibt es nichts zu überlegen.«
    »Doch. Wir müssen essen.« Er hielt das faulige Brot hoch. »Das sind unsere Vorräte. Wenn ich nicht bald etwas verkaufe, verhungern wir. Oder hast du Geld?«
    »Nein.«
    »Ich auch nicht. Woher auch? Also bleibt uns keine Wahl.« Plötzlich knurrte mein Magen. Seine Beweisführung war bestechend. Wo hatte er gelernt, so überzeugend zu reden? Nach Lord Eachanns Hammel hatte ich nichts mehr gegessen. Ich kannte Hunger von den klösterlichen Fastenzeiten. Mir stand nicht der Sinn danach. Doch so leicht gab ich mich nicht geschlagen. »Du meinst, man braucht nur einen vollgeschmierten Fetzen Pergament und kann daraus ein Zeugnis machen?« Ich stieß ein abschätziges Lachen aus und schüttelte dabei den Kopf. »Was bist du doch einfältig. Nein. Man braucht viel mehr.« Ich zählte auf: »Eine Klinge um das alte Gekritzelte abzuschaben, einen Schwamm zum Polieren, zum Schreiben Tinte, am besten auch Farbe, und schließlich, damit es ein Zeugnis wird, Wachs, ein Siegel …«
    »Aber das haben wir doch alles.« Selbstbewusst verbesserte er: »Zumindest fast alles.«
    Mein Lachen wurde höhnisch. »Und wo hast du all diese Schätze versteckt?«
    »Pass auf!« Er lief zum Bug, bückte sich, hob etwas auf und präsentierte es. Eine Möwenfeder. Mit seinem Messer spitzte er sie an. Dann erklärte er: »Die Tinte herzustellen, die wir brauchen, ist nicht schwer. Es muss nur etwas Schwarzes sein — Ruß, gemischt mit Wasser, zum Beispiel.«
    »Öl wäre besser«, kritisierte ich, um hämisch hinzuzufügen: »Mit einer anderen Farbe als Schwarz wirst du schon mehr Mühe haben.«
    William grinste, nahm das Messer und schnitt sich in den Arm. Hellrotes Blut tropfte aufs Deck. Er verneigte sich vor mir: »Bitte sehr. Das schönste und eindringlichste Rot der Welt.«
    »Na gut. Doch auch dein Blut löst nicht das größte Problem.«
    »Welches?«
    Ich wartete eine Weile mit meiner Antwort, um meinen Triumph so lange wie möglich auszukosten. Gleich würde William erkennen, wie sehr sein Plan hinkte. Schließlich platzte es aus mir heraus: »Ich kenne keine Urkunde, kein Zeugnis, welches anerkannt worden wäre – ohne Siegel.«
    »Wir nehmen deinen Rosenring«, erklärte William ungerührt. »Wie gut, dass ich in der Kapelle auf Icolmkill die Kerze in den Sack gesteckt habe. Wir haben alles, was wir brauchen: Feder, Tinte, Farbe, ein Messer, Siegel, Wachs.«
    Ich sparte mir den Hinweis, dass ein Schwamm in seiner Aufzählung fehlte. Dieser war am leichtesten zu ersetzen. Zum Polieren der Schrift würde auch mein Handballen genügen. Dies brachte mich auf meinen letzten Einwand. »Tinte, die mit Wasser gemischt ist, löst sich viel zu leicht vom Pergament. Sie wird keine zwei Tage halten.«
    Auch damit gelang es mir

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