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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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William schien Ähnliches zu denken, denn er blickte recht finster, als das Mönchlein, das ihm gerade bis zur Brust reichte, mit den Händen etwas malte wie ein Kreuz und dazu wohl heilige Worte sprach. Allein, es war nichts zu verstehen.
    »Gott segne Euch, Eure Brüder und diesen heiligen Ort«, erklärte William trotz allem salbungsvoll. »Wir sind Gesandte von Bischof William dem Dritten von Orkney. Mit uns führen wir eine wichtige Botschaft, die Ihre Exzellenz der Bischof von Orkney als Gabe dem Kloster von Inbhir Nis überbringen möchte. Wir sind müde und hungrig von der langen, gefährlichen Reise über das stürmische Meer. Unser Begehr ist es, dem Abt des Klosters die besagte Botschaft Ihrer Exzellenz des Bischofs von Orkney zu überbringen. Gegen ein Mahl und einen Strohsack für die Nacht hätten wir auch nichts einzuwenden.«
    Bewundernd hatte ich Williams ausführlicher Rede gelauscht. Wie überaus sprachgewandt er war, der Sohn eines Schafsbauern. Dem Mönchlein war nicht anzumerken, ob er irgendetwas verstanden hatte. Er öffnete seinen zahnlosen Mund, doch anstatt etwas zu sagen, winkte er uns in einen düsteren Gang mit schiefen Mauern und einer niedrigen Decke, die uns dazu zwang, den Kopf einzuziehen.
    »Ich dachte, du willst eine Urkunde vom Bischof verlangen?«, zischte ich William zu, denn ich glaubte, er hätte es vergessen.
    Dieser zischte zurück, ohne dass das aufgesetzte Lächeln auf seinem Gesicht erlosch: »Doch nicht vom Pförtner. Vom Abt!«
    Das Mönchlein führte uns über einen Hof, der gleichzeitig als Schweinepferch diente. Eine Muttersau lag im Schlamm, ein halbes Dutzend Ferkel rissen an ihren Zitzen. Schmutziges, in den Ecken aufgeschichtetes Stroh schmälerte meine Vorfreude auf ein weiches Nachtlager. Wir duckten uns durch eine Tür: das Refektorium – nichts anderes konnte der schmale Raum sein. Fünf Mönche saßen an einer Tafel, die Holzlöffel auf halbem Weg zum Mund gehalten. Ein Braten stand auf dem Tisch. In einer Ecke stapelten sich Strohballen, in einer anderen grollte die Glut im Kohlebecken, zwei Fackeln rußten und spien Funken. Hier hatte man von der Regel, Gäste nie ins Refektorium zu führen, nichts gehört. An der Stirnseite des Tisches saß der Abt oder Prior, welchen Titel er führte, war herauszufinden. Jedenfalls zierte ein Holzkreuz seine fassartige Brust, der Habit bestand aus kräftigem braunem Stoff, am geöffneten Gürtel hing ein Rosenkranz. Alle anderen Mönche waren ähnlich armselig gewandet wie der Pförtner. Sie glotzten uns wortlos an.
    William verneigte sich, wobei er seinen Blick auf den Braten heftete. Dann erklärte er nicht weniger salbungsvoll als zuvor unser Anliegen. Nur fügte er diesmal hinzu: »Ihr kennt Ihre Exzellenz, Bischof William den Dritten von Orkney?«
    Der Abt wischte sich über den Mund und legte den Esslöffel zur Seite. In seinem Bart hingen Fleischfasern, die Tonsur auf seinem Kopf verlangte nach einem Rasiermesser. Die vom Wein geröteten Backen glänzten.
    »William?«, schmatzte er. »Was ist in den Säcken?«
    »Unser bescheidenes Hab und Gut, nur das Nötigste für die Reise zu Euch.« William klang streng. »Könnt Ihr mit einem Schreiben des Bischofs bekunden, dass Ihr ihn kennt?«
    »Es klapperte wie Knochen.« Der Abt ging auf Williams Ansinnen nicht ein. Dieser tat es ihm gleich.
    »Habt Ihr ein solches Schreiben, oder habt Ihr keins.«
    Für einen Moment herrschte Schweigen. Der Abt fuhr sich durch den Bart. Er betrachtete William, dann mich. Seine Zunge fuhr über die Lippen, und er richtete das Wort an mich: »Sag mir, wozu ein solches Schreiben gut sein soll? Wenn der Bischof eine Botschaft für mich hat, dann wird er sie mir sagen. Mit Schreiben oder ohne.«
    Ich antwortete nicht. Sein Blick behagte mir nicht. Auch wurden hier die einfachsten Klosterregeln nicht befolgt. Wir waren Reisende. Doch niemand wusch uns die Füße. Der Pförtner führte uns in den Speisesaal. Ich korrigierte meinen Gedanken: Es war kein Saal, sondern ein Verschlag. Ich beschloss, dem Vorgehen Williams zu folgen und legte Strenge in meinen Blick: »Ist es nicht Sitte, dem Gast ein Mahl anzubieten und anschließend einen Platz im Hospiz?«
    Die Mienen der Mönche, die bisher unbewegt gelauscht hatten, wechselten von unverhohlener Neugierde in Staunen. Der Abt hingegen grinste breit.
    »Knäblein, du
bist
hier im Hospiz. Gleichzeitig im Refektorium und später, wenn wir die Tafel ab- und den Altar aufgebaut haben, in der

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