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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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nicht, William aus der Ruhe zu bringen. Aber seine Antwort machte mir das Ausmaß klar, in dem er betrügen wollte. »Da sind wir längst über alle Berge.«
    Ich ließ meiner Entrüstung freien Lauf und schimpfte ihn Räuber, Scharlatan, Dieb, Galgenstrick und dass er an selbigem enden werde.
    Er zuckte mit den Schultern, machte es sich auf der Ruderbank bequem und meinte: »Nun gut. Ich frage dich wieder, wenn du wirklich hungrig bist.«
    »Niemals!« Meine grimmige Antwort war endgültig.

    Ich kniff die Augen zusammen und betrachtete stolz mein Werk.

    Ego, episcopus beneficium dei,
    testo integritate secundo:
    Reliquia sancta
    Mani Mariae et Josephi
    Pictus

William the Third of Orkney

    Bischof Williams Unterschrift war ein Kunstwerk, ebenso wie der Rest der Urkunde. Williams Zeigefinger deutete auf das Pergament: »Wunderbar. Aber was steht da?«
    »Dass Bischof William von Orkney die Echtheit der Hände von Maria und Josef bezeugt.«
    »Sehr gut.«
    Ich blieb skeptisch. »Das Siegel bereitet mir Sorge.« Ich hatte es mit meinem Rosenring in das rote Wachs gedrückt. »Weiß nicht jedermann, dass Williams Siegel einen Vogel zeigt?«, fragte ich den anderen William.
    Der grinste schlau: »Wir werden in den Klöstern fragen, ob man William von Orkney kennt.«
    »Natürlich kennt man ihn in Schottland. Er ist ein Oberhaupt der schottischen Kirche.«
    »Ja. Lass mich ausreden. Als Nächstes werde ich erklären, wir wären seine Gesandten.«
    Wieder unterbrach ich ihn: »Ich bin eine Frau. Es gibt keine Gesandtinnen des Bischofs.«
    »Dazu kommen wir später. Jedenfalls verlange ich dann, man solle mir ein offizielles Schreiben des Bischofs mit seinem Siegel vorlegen, damit ich auch sicher sein kann, dass man ihn wirklich kennt.«
    »Ein Schreiben soll bekunden, dass man ihn kennt? Warum denn?«
    »Zur Verwirrung. Und um uns in eine überlegene Stellung zu erheben. Verstehst du nicht? Ich verlange etwas, das sie nicht haben. Mein Blick wird ihnen zeigen, dass dies ein schweres Versäumnis ist.«
    Ich runzelte die Stirn. »So weit, so gut. Was aber, wenn sie doch über ein solches Schreiben verfügen, gezeichnet und gesiegelt von Bischof William von Orkney?«
    William schüttelte den Kopf. »Sehr unwahrscheinlich. Der Bischof ist nicht dafür bekannt, dass er gern Briefe schreibt. Er kann nicht einmal schreiben, das weiß jeder.«
    »Aber die Mönche auf Orkney sind schreibkundig.«
    Williams Lächeln zauberte mir selbst ein Lächeln ins Gesicht, ohne dass ich es verhindern konnte. »Schon lange«, grinste er, »befinden sich der Bischof und der Prior des Mönchsklosters im Streit. Sie sind sich sogar spinnefeind und reden nicht miteinander. Der Prior wird keinem seiner Mönche gestatten, einen Brief für William zu schreiben. Doch selbst wenn – selbst wenn es in einem der Klöster, die wir besuchen, ein solches Schreiben gäbe –, es wäre trotzdem kein Schaden. Wir würden uns höflich bedanken, irgendeine Botschaft des Bischofs erfinden und weiterziehen, um unser Glück im nächsten Kloster zu versuchen.« Zwinkernd fügte er hinzu: »Natürlich
nachdem
die Mönche oder Nonnen uns ausreichend verköstigt haben.«
    »Irgendeine Botschaft.« Mir fiel nichts Besseres ein, als Williams Worte zu wiederholen. Ich war beeindruckt von seiner Schläue. Und der Hunger nagte inzwischen schmerzhaft in meinen Gedärmen.
    Der Sturm, der sich zuerst gezeigt und dann wieder versteckt hatte, überraschte uns in dieser Nacht. Brüllend, mit fliegender Gischt und tosenden Wassern fegte er über uns hinweg. William gelang es gerade noch rechtzeitig, das Segel einzuholen und den Mast umzulegen. Er band das Ruder fest, doch es riss sich immer wieder los. Dann band er uns an die Bank, und wir wurden zum Spielball der Elemente.
    Noch den ganzen folgenden Tag tobte das Meer, vom Sturmwind aufgewühlt bis zum Grund. Dann trat wieder Totenstille ein, unterbrochen nur von immer seltener einfallenden Windböen, die wie Hunde dem Orkan folgten. Ich war so durstig, dass ich gierig Wein aus dem Fass trank, und so hungrig, dass mich selbst der Schimmel auf Williams Brot nicht störte.
    »Wo sind wir?«, fragte ich William, nass bis auf die Knochen und zitternd vor Kälte.
    William blickte zum schiefergrauen Himmel. »Äh«, machte er.
    »Du weißt es nicht«, stellte ich fest.
    Er wiederholte: »Äh.« Dann, als er hinter der hohen Wolkenschicht den fahlen Schein der Sonne ausgemacht hatte, schüttelte er ungläubig den Kopf.
    »Weißt du

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