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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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Klosterkirche. Und anschließend, nachdem alles weggeräumt ist, im Schlafsaal.« Er nickte zur Tür. »Und dort hinaus findest du den Weg zur Latrine, aber auch zu den Klostergärten sowie zu unseren Stallungen.« Für diesen Vortrag erntete er Gelächter von seinen Mitbrüdern. Schon fuhr er weniger spöttisch fort: »Natürlich kenne auch ich die heilige Pflicht der Gastfreundschaft. Setzt euch also zu mir und meinen Mitbrüdern und nehmt vom Braten und vom Wein. Und dann lasst uns in Ruhe darüber reden, was euch in Wirklichkeit zu uns führt.«

    Tatsächlich konnten wir uns satt essen, und der Wein verströmte wohltuende Müdigkeit. Allerdings schien ich die Einzige, die maßvoll trank, weder die Mönche noch William ließen es bei einem Becher bewenden. Seine Augen glänzten schon genauso verdächtig wie die der Klosterbrüder. Dann wurde der Blick des Abts hart, als er zuerst seinen Mitbrüdern befahl: »Hebt die Tafel auf!«, um sich dann an uns zu wenden: »Nun heraus damit. Welche Botschaft lässt William von Orkney meinem bescheidenen Haus vom Ordo fratrum minorum übermitteln?«
    Tatsächlich. Der Bettelorden der Franziskaner. Richtete man sich nach den Regeln des heiligen Franziskus, so sollte nun die Vesper folgen. Doch nachdem die Mönche eine Tischplatte weggehoben hatten, ließen sie die andere Hälfte der Tafel stehen und stellten ihre Weinbecher darauf. Keiner traf Anstalten, ein Gebet zu sprechen oder wenigstens in stiller Andacht zu versinken – es sei denn, das Leeren der Humpen diente der Besinnung.
    Ich war gespannt auf Williams Antwort. Der druckste nicht lange herum, griff in sein Hemd und zog das Pergament hervor. Dieses reichte er dem Abt mit den Worten: »Die Urkunde mit dem Siegel Ihrer Exzellenz Bischof William des Dritten von Orkney bestätigt Wert und Echtheit einer höchst außergewöhnlichen Reliquie.«
    Der Abt kniff die Augen zusammen. »Um welche handelt es sich?«
    So wie er das Blatt betrachtete, war er des Lesens unkundig. Auch William bemerkte es. Er nahm dem Abt die Urkunde wieder ab und erklärte: »Eine der wertvollsten Reliquien, die es gibt.«
    »Und die will der Bischof mir«, er verbesserte, »meinem bescheidenen Kloster schenken?«
    William nickte. »Für eine angemessene Spende im Namen Gottes will er das gerne tun.«
    »Um welche Reliquie handelt es sich?«
    »Um zwei, um es genau zu sagen.«
    »Gleich zwei?«
    »Ja. Die eine ist der heilige Märtyrer Donnan von Eigg, der, wie Ihr wisst, zuerst aufs Rad geflochten wurde, bevor er den Feuertod starb.«
    »Aufs Rad geflochten?«, wunderte sich der Abt. »Alle Knochen sind in dem Sack?«
    »Gewiss.«
    »Und die andere Reliquie?«
    William warf bedeutungsvolle Blicke in die Runde. Dann griff er nach unten, wühlte herum und brachte schließlich die verschlungenen Knochenhände hervor. Als er sie auf den Tisch legte, funkelten die Edelsteine auf dem um die Knochen geschlungenen Armband.
    »Oh!«, machten die Mönche und beugten sich mit offenen Mündern vor.
    William senkte seine Stimme zu bedeutungsvollem Flüstern:
    »Die Hände von Maria und Josef. Seht Ihr – verschlungen, selbst im Tode noch.«
    »Und du behauptest, sie sind echt?«
    »Hier steht es.« William klopfte auf die von mir gefälschte Urkunde, so dass ich zusammenzuckte, denn nur allzu leicht mochte sich die falsche Tinte vom Pergament lösen.
    »Hm. Und du sagst, der Bischof möchte die Reliquie diesem Kloster spenden? Und die andere auch?«
    »Gegen eine angemessene Spende«, beharrte William.
    »Angemessene Spende«, murmelte der Abt und blickte von den Händen zu mir und dann zu William. »Die Sau hat geworfen. Ich könnte dir ein Ferkel geben, als Spende.«
    William schüttelte den Kopf.
    »Zwei«, bot der Abt.
    »Keine Schweine. Bischof William – in Gottes Namen – hält eine Spende in Gold oder Silber für angemessen. Stellt Euch den Ruhm für Euer Kloster vor. Jedermann würde kommen, um die Reliquien zu küssen.«
    »Gold oder Silber haben wir nicht.« Der Abt dozierte: »Denn ein Mensch, der nach Reichtum strebt, bleibt nicht ohne Sünde.«
    »Amen.« William senkte demütig das Haupt. Ich tat es ihm gleich.
    »Kennt Ihr denn jemanden, der es hat?«, wollte William dann wissen, als er sein Haupt wieder gehoben hatte.
    Der Abt war uns wohlgesinnt. Nachdenkliche Falten gruben sich in seine Stirn. Er wollte uns tatsächlich helfen. »Lord Urquhart«, meinte er schließlich zögernd und fügte hinzu: »Der ist der Einzige, der sich so etwas

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