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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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leisten kann. Und es auch will. Denn unser Burgherr hier auf Inbhir Nis ist kein so guter Mensch, wie ich es bin. Der würde euch die Knochen einfach wegnehmen. Und euch nur in seinen Kerker werfen, wenn ihr Glück habt.« Wieder bedachte er mich mit einem seltsamen Blick. »Das wäre aber doch schade.«
    William sammelte die Hände wieder ein. »Welcher Weg führt zu diesem Lord Urquhart?«
    »Der Weg entlang des Ufers des Nis. Wenn ihr ihm folgt, gelangt ihr zum Loch Nis. An dessen Ufer steht das Schloss des Lords. Urquhart Castle. Es heißt, in dem Loch wohnt ein Ungeheuer.«
    »Ein Ungeheuer?«
    »Ein Drache, der im Wasser lebt«, bestätigte der Abt.
    »Und dem es gilt, Jungfrauen zu opfern?« Williams Interesse schien geweckt, als wäre es ein Heidenspaß, Jungfrauen einem Drachen vorzuwerfen. Mir fiel ein, dass ich auch eine war.
    »Von Jungfrauenopfern ist mir nichts bekannt. Doch zuzutrauen ist es den Leuten dort schon. Sie sind roh und schrecken vor Gewalt nicht zurück.«
    »Und Ihr sagt, um dorthin zu finden, müssen wir nur dem Fluss folgen?«
    »So ist es.« Das Oberhaupt des Ordo fratrum minorum lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Das Einzige, was mich störte, war, dass er den Strick noch immer nicht wieder um den Leib geschnürt hatte. Sein Habit klaffte offen.

    Der Raum – Refektorium, Kirche, Hospiz und Schlafsaal in einem – erzitterte. William war Teilnehmer des Schnarchkonzerts. Als Einzige lag ich wach in der Dunkelheit. Ich konnte vor Müdigkeit nicht schlafen. In meinem Kopf drehten sich die Bilder im Kreis, und obwohl der Untergrund fest war, auf dem ich ruhte, schwankte der Boden wie auf dem Schiff.
    Seit meiner Flucht aus dem Kloster auf Icolmkill war die Welt aus den Fugen geraten. Die tobenden Stürme waren ein Sinnbild meines neuen Lebens. Nichts hatte mehr klare Konturen. Alles war verwirbelt, verworren, durcheinandergeschleudert. Ein tosender Kreisel aus Wind, Wasser, Knochen und Tod, durch nichts aufzuhalten. Beinahe schon beschaulich der Ort, an den uns der Sturm geworfen hatte. Das Kloster der Bettelbrüder von Inbhir Nis.
    Etwas bewegte sich in meinem Rücken. Das Stroh raschelte. Zuerst spürte ich ein leises Keuchen und den Lufthauch des Atems, dann dessen säuerlichen Geruch. Barthaare kratzten in meinem Nacken. Ich wollte aufschreien, als ein Körper sich hinter meinen presste, doch eine nach abgestandenem Essen stinkende Pranke drückte sich auf meinen Mund.
    »Schön stillhalten, Knäblein«, zischte die Stimme des Abts, begleitet von seinem Keuchen, in mein Ohr. »Gleich hörst du die Engel singen. Ich versprech’s dir.«
    Etwas Hartes rieb an meinem Rücken. Ich begann zu zappeln und um mich zu schlagen. Doch das nützte wenig, die Umklammerung wurde nur noch fester und das Keuchen immer schneller und lauter. Ich langte nach hinten, bekam den Bart zu fassen und riss daran mit aller Kraft. Der Abt schrie auf, der kurze Augenblick, in dem er seine Umklammerung löste, genügte mir, um zu entwischen. Ich hörte seine Flüche und spürte, wie er versuchte, mich wieder zu fangen.
    Funken sprühten, ein Licht flammte auf. Im gespenstisch flackernden Schein der von wem auch immer entzündeten Fackel erfasste ich auf einen Blick den ganzen nächtlichen Irrsinn. William stand, in eine Ecke gedrängt, umstellt von Klosterbrüdern, die sich verschiedentlich bewaffnet hatten – die Zacken einer Mistgabel zielten auf seine Brust, ein Beil wollte nicht Holz hacken, sondern seinen Schädel spalten, ein Knüppel schwebte über selbigem.
    Der ehrwürdige Abt, eben noch damit beschäftigt, mich, das vermeintliche Knäblein, Engelsstimmen hören zu lassen, war gerade dabei, seinen offenen Habit zu gürten. Als er den Knoten zurechtgefummelt hatte, rief er: »Wo sind die heiligen Knochen? Her damit!«
    »Nicht hier«, beeilte William sich zu rufen, dabei rollten seine Augen von den Mistgabelzinken zu Beil und Knüppel.
    »Lüg nicht, du hast sie uns doch nach der Vesper gezeigt. Also hol sie her, sonst wird es dir schlecht ergehen.«
    Das wird es so oder so, dachte ich, während ich zitternd dastand und fieberhaft überlegte, ob es einen Ausweg gab.
    »Ich hab sie danach zum Schiff gebracht, das bewacht im Hafen liegt.«
    Der Abt stieß einen wütenden Schrei aus. »Lüge! Nichts als Lüge! Sag’s uns freiwillig, sonst holen wir die Wahrheit anders aus dir heraus!«
    »Auf dem Schiff. Im Hafen«, wiederholte William mit zusammengekniffenen Lippen. Die Mistgabel

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