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Die Knochentänzerin

Die Knochentänzerin

Titel: Die Knochentänzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz-Josef Körner
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ganzen Abendland – eine schönere Braut gegeben als Aluicha Gradenigo. Die Schleppe aus weißer chinesischer Seide, bestickt mit zehntausend durchsichtigen Perlen, die glänzten wie Morgentau, wurde von zwölf Jungfrauen getragen. Ihr Haar, schwarz wie Pech, quoll unbändig unter dem Brautschleier hervor, die Lippen rot wie Blut, die Taille so eng geschnürt, dass, umfasste man sie, Daumen und Zeigefinger beider Hände sich mühelos berührten. In ihren schwarzen Augen lagen Triumph, Hochmut und Stolz. Faliero, der gemessenen Schrittes an ihrer Seite ging, verblasste neben ihr, trotz Gold und Edelsteinen und teurem Gewand. Die meisten Venezianer nahmen ihn kaum wahr. Sie hatten nur Augen für die Braut.
    Das Fest sollte drei Tage und drei Nächte dauern, doch schon am ersten Abend hängte Faliero eigenhändig das Betttuch mit dem blutigen Beweis von Aluichas bis dato unversehrter Jungfräulichkeit aus dem Fenster seines Palazzos.
    Viel später erst sollte er die Wahrheit erfahren. Aluicha hatte ihn betrogen. Vor der erstmaligen Erfüllung ihrer ehelichen Pflichten hatte sie das Blut eines Täubchens in eine Fischblase gefüllt und eingeführt. Als Faliero in sie eindrang, platzte die Blase, und das Blut ergoss sich auf dem Laken.

27
    Hans von und zu Aposteln, alias rex mendici
    P rag! Der Bischof hat Prag gesagt!«
    »Erzbischof«, verbesserte ich müde. »Der Mann, der uns hier einsperren ließ, führt den Titel
Erzbischof

    »Meinetwegen. Aber, verstehst du nicht? Wir müssen so schnell wie möglich nach Prag! Die Reliquien der elftausend Jungfrauen sind dort!«
    »Es ist ja auch ganz einfach. Wir öffnen die Kerkertür und marschieren hinaus. Auf nach Prag.« Ich wurde wütend. »Das Schlimme ist, er hat uns zu Recht hier eingesperrt, ich hätte es nämlich an seiner Stelle auch getan …«
    »Zu Recht?« William spielte den Erstaunten. »Woher sollte ich wissen, dass die Reliquie gestohlen war?«
    »Deine sogenannten Freunde konnte man zehn Meilen gegen den Wind als Galgenvögel riechen. Aber du musstest sie ja für Wohltäter halten. Die guten Samariter!«
    »Es wäre ein hervorragendes Geschäft gewesen, wenn nicht …«
    »Sei still!«, fuhr ich ihm ins Wort. »All unser Geld ist weg, und wir sitzen in diesem Loch und werden als Diebe und Betrüger verurteilt. Ich bin dir durch Sturm und Regen gefolgt, habe Schiffbruch mit dir erlitten, bin dem Tod nur ein paarmal knapp entkommen – und immer ging es dir nur um Knochen und wo wir noch mehr und bessere finden! Ich bin es leid, verstehst du?«
    »Es wird schon alles wieder gut werden«, brummte William und versuchte, mich mit seinem entwaffnenden Lächeln wohlgesinnt zu stimmen.
    »Wie kommt es eigentlich, dass du nicht nur Latein, sondern auch noch Deutsch sprichst?«, platzte es aus mir heraus.
    William zuckte mit den Schultern: »Genauso könntest du fragen, wo ich das Reliquienhandwerk erlernt habe.«
    »Und? Wo hast du?«
    »Bei Mönchen, natürlich.«
    Wieder dieses strahlende Lächeln. Doch dieses Mal schmolz ich nicht dahin. Es machte mich nur noch wütender. Da hockte er, mit sich und der Welt anscheinend im Reinen, kaute auf einem Strohhalm und grinste blöd – ungeachtet der Tatsache, dass man uns in einer fremden Stadt im Kerker eingeschlossen hatte und morgen der Erzbischof sein Urteil über uns fällen würde. Mit Sicherheit gab es kein Entkommen. Eigenhändig hatte ich an der wuchtigen, mit Eisen beschlagenen Kerkertür gerüttelt, um mich zu überzeugen, dass durch sie bestimmt kein Weg in die Freiheit führte. Das einzige Fenster in unserem gemauerten Kellergefängnis war winzig, vergittert und unerreichbar hoch.
    »Weißt du, welche Strafe auf Diebstahl und Betrug steht?«, zischte ich. Das Bild des einhändigen Bettlers stand vor mir. »Im besten Fall wird man uns die Rechte abhacken!«
    William zuckte gelassen mit der Schulter. »Du musst nicht immer gleich den Teufel an die Wand malen. Es ist bekannt, dass Wilhelm zu Köln ein milder Richter ist. Im schlimmsten Fall lässt er uns an den Pranger stellen. Das hat noch keinen umgebracht. Es gibt immer einen Lichtstreifen am Horizont. Du wirst sehen – morgen um die Mittagszeit sind wir frei und können ungehindert unseres Weges ziehen.«
    Nichts machte mich rasender als diese Art Williams, in allem noch etwas Hoffnungsvolles zu sehen. Er würde noch auf dem Schafott dem Henker mit einem freundlichen Lächeln erklären, so eine Hinrichtung habe doch auch ihre gute Seiten, schließlich

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